Die SPD tut sich schwer mit dem Gedanken an eine große Koalition. Doch soll man sie deshalb kritisieren, fragt unser Redakteur Christopher Ziedler.

Berlin - Wer gedacht hat, mit dem Umdenken der SPD gehe nun alles wieder seinen gewohnten Gang, sieht sich getäuscht. Die politische Nachwahlkrise zu bewältigen, die FDP-Chef Christian Lindner mit dem Abbruch der Jamaika-Gespräche ausgelöst hat, wird noch viel Zeit in Anspruch nehmen. Wenn jetzt davon die Rede ist, Sondierungsgespräche könnten erst nach Neujahr beginnen, verlängert das den quälend langsamen Regierungsbildungsprozess erneut. Vergessen werden darf aber nicht, dass er bei Neuwahlen, die in Umfragen populärer sind als im politischen Betrieb, noch länger dauern würde – zumal in einer Phase, in der Europa schnelle Antworten aus Berlin erwartet.

 

Genau genommen haben sich die Sozialdemokraten aus genau diesem Grund in geradezu atemberaubender Geschwindigkeit bewegt, wenn man bedenkt, wie verhasst die große Koalition in der eigenen Klientel ist und umjubelt der Gang in die Opposition am Wahlabend war. Wer die geschundenen Sozialdemokraten erfolgreich bei der staatspolitischen Ehre gepackt hat, muss ihnen nun auch zugestehen, die 180-Grad-Wende ihren Leuten zu erklären, die per Mitgliederentscheid Ja oder Nein zur nächsten GroKo sagen sollen. Das schließlich könnte die größte Hürde darstellen – und vielleicht doch noch für Neuwahlen sorgen. Es kann in jedem Fall noch dauern.