CDU, CSU und SPD wollen sich im laufenden Regierungsbetrieb erneuern. Doch die Möglichkeit eines Koalitionsbruchs oder eines Kanzlersturzes bleibt auf der Tagesordnung.

Berlin - Die Berliner Regierungsparteien wollen sich nach den jüngsten Wahlschlappen von Grund auf erneuern – und weiter regieren. Ob das gelingt, hängt von vielen Ereignissen der nächsten Wochen und Monate ab.

 

Klausurtagungen (4./5. November)

Nach Angela Merkels angekündigtem Rückzug von der CDU-Spitze beraten Präsidium und Bundesvorstand am Sonntag und Montag auf einer Klausur über eine inhaltliche Neuausrichtung. So weist Bundesvize Volker Bouffier darauf hin, dass allein neue Köpfe die Partei nicht retten werden. „Wo wollen wir hin und wie?“, fragt er – und weiß, dass die Antwort nicht einfach wird, wo man doch zu gleichen Teilen Stimmen an die AfD wie an die Grünen verloren hat. Fürs Erste hat CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer vorgeschlagen, in der Regierungsarbeit drei prioritäre Vorhaben zu definieren – damit die Bürger merken, dass etwas vorangeht.

Ähnliches hat die SPD auf ihrer Klausur am Wochenende vor. Der eigentlich bis Ende 2019 laufende Erneuerungsprozess der Partei soll beschleunigt werden – mit sichtbaren Veränderungen noch in diesem Jahr. Beschlossen werden soll auch ein Fahrplan für konkrete Gesetzesvorhaben mit sozialdemokratischer Handschrift. Parteichefin Andrea Nahles will damit den parteiinternen Druck abbauen, aus der Koalition auszusteigen. Unter anderem soll das Gute-Kita-Gesetz bis Jahresende den Bundestag passieren, bis zur Sommerpause soll ein „Familienstärkungsgesetz“ auf den Weg gebracht werden, das Familien mit geringem Einkommen hilft.

Grünen-Parteitag (9.-11. November)

Obwohl Union und SPD Neuwahlen fürchten, kann es aus Sicht von Ex-Umweltminister Jürgen Trittin bei der SPD zu einem „unkalkulierbaren Prozess“ kommen, der das Scheitern der Regierung nach sich ziehen und Neuwahlen bringen könne. Einen Neuanlauf für Jamaika unter neuer CDU-Kanzlerschaft schließen die Grünen nicht aus. Sie halten ein Bündnis aus Union, FDP und Grünen aber für schwierig. Immerhin, so ein Insider, habe sich FDP-Chef Christian Lindner nicht nur auf Merkel eingeschossen: „Die wäre er bei einem neuen Jamaika los, aber mit uns hat Lindner offenbar fast so ein großes Problem wie mit Merkel.“ Misslich wäre für die Öko-Partei beim zweiten Jamaika-Versuch auch eine Tatsache, die angesichts ihrer Wahlerfolge in Bayern und Hessen etwas in Vergessenheit geraten ist: Im Bundestag stellen sie nur die kleinste Fraktion – wären bei Jamaika also nur der kleinste Partner. Eine Neuwahl wäre ihnen deshalb lieber, weil sie die Chance böte, die Liberalen hinter sich zu lassen.

CDU-Parteitag (6. – 8. Dezember)

In Hamburg wird vom 6. bis 8. Dezember möglicherweise die Weichenstellung für die bundesdeutsche Politik vorgenommen. Dann wählt der CDU-Bundesparteitag Merkels Nachfolger oder Nachfolgerin. Davon, wen die Kanzlerin zur Seite gestellt bekommt, hängt entscheidend ab, ob sie bis Ende der Legislaturperiode 2021 Regierungschefin bleibt. „Die Tandemlösung muss nicht in jeder Konstellation funktionieren“, sagt etwa Unionsfraktionsvize Katja Leikert: „Aber der politische Wille, dass es gelingt, wird in jedem Fall sehr groß sein. Wir können uns schließlich nicht noch ein destabilisiertes politisches System in Europa leisten.“ Die für Merkel einfachste Lösung wäre die Wahl Kramp-Karrenbauers. Dagegen könnte eine Zusammenarbeit mit ihrem Gegenspieler Jens Spahn oder ihrem früheren Widersacher Friedrich Merz problematisch werden – weil diese eventuell früher die Kanzlerschaft anstreben würden. „Die Frage ist, ob die SPD dann einen Kanzlerwechsel in der Koalition mitmacht“, stellt ein CDU-Abgeordneter fest. Wenn nicht, könnte es zu den erwähnten Jamaika-Gesprächen kommen. Ein neuer Kanzler könnte auch geneigt sein, sich in anschließenden Neuwahlen ein Mandat geben zu lassen.

EU-Gipfel (13. und 14. Dezember)

Dem Europäischen Rat Mitte Dezember kommt große Bedeutung zu. Er bietet die letzte Chance, vor der Neuwahl des EU-Parlaments Reformen auf den Gesetzgebungsweg zu bringen. Es stehen Entscheidungen zum EU-Haushalt und zur Eurozone an. Dann wird sich zeigen, ob Kanzlerin Merkels Regierung zu mutigen Schritten bereit ist. Und, ob das Zusammenspiel mit dem neuen CDU-Chef klappt.

Neujahrsklausuren

Die Parteitreffen zu Jahresbeginn versprechen interessant zu werden. Die SPD will sich bis dahin über ihren Erneuerungsprozess im Klaren sein. Beim Koalitionspartner CSU könnte spätestens dann der Druck auf Parteichef Horst Seehofer so groß werden, dass er sein Amt zur Verfügung stellen muss. Beginnen soll die politische Aufarbeitung des Wahldesasters, wenn die Regierungsbildung in Bayern abgeschlossen ist – also spätestens Mitte November.

Europa-/ Kommunalwahlen (26. Mai 2019)

Der nächste große Stimmungstest, bei dem die Bürger das Erscheinungsbild der Regierung bewerten könnten, wird am letzten Mai-Sonntag sein. Dann finden nicht nur Europawahlen statt, sondern auch die Bremer Bürgerschaftswahl sowie Kommunalwahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Sollten die Regierungsparteien wieder so schlecht abschneiden, könnten sie zu weiteren Schritten genötigt sein.