Berlin - Der Kassensturz fiel ernüchternd aus. In den kommenden Jahren werde der Bund 10,5 Milliarden Euro weniger einnehmen als noch im März vorhergesagt, verkündete Finanzminister Olaf Scholz (SPD) in der vergangenen Woche bei der Präsentation der jüngsten Steuerschätzung. Weil die Wirtschaft an Schwung verloren hat und der Staat seine Bürger entlastet, sprudeln die Steuereinnahmen nicht mehr so kräftig. Die Einnahmen steigen langsamer, weshalb sich Scholz regelmäßig taub stellt, wenn der Koalitionspartner und die Wirtschaft umfangreiche Steuersenkungen fordern.
Und doch können sich gerade Familienunternehmen darauf einstellen, in nicht allzu ferner Zukunft finanziell entlastet zu werden. Scholz ließ in der vergangenen Woche nämlich auch erkennen, dass er und seine Fachleute zumindest an einer kleinen Unternehmenssteuer-Reform arbeiten: Es gebe da im gegenwärtigen Recht viele Dinge, die „ein bisschen unlogisch“ seien, sagte der Minister. Mittelständler, insbesondere Familienunternehmen, würden in Steuerfragen oft nicht so behandelt wie zum Beispiel Kapitalgesellschaften – also GmbHs oder Aktiengesellschaften. Mit all diesen Fragen beschäftige er sich schon sehr lange. „Und das ist etwas, an das sich die Bundesregierung sicher machen wird.“
Fiskus schlägt heftiger zu
Details nannte Scholz nicht, und auch sein Ministerium macht auf Nachfrage keine weiteren Angaben. Dennoch scheint sich jetzt der Nebel zu lichten: Nach Informationen unserer Zeitung prüft das Finanzministerium gerade, ob Personengesellschaften (zum Beispiel in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts – GbR) und Einzelunternehmer stärker als bisher geschont werden können, wenn Gewinne im Unternehmen verbleiben.
Profiteure wären selbstständige Handwerker, Händler, Gastwirte oder Freiberufler, die sich dagegen entschieden haben, eine GmbH zu gründen: Wenn sie Geld in der Firma belassen und nicht aufs Privatkonto überweisen, schlägt der Fiskus bisher heftiger zu als bei Kapitalgesellschaften. Diese Ungleichbehandlung will die Koalition nun möglichst beenden. Noch in diesem Jahr sei mit einem Gesetzentwurf dazu zu rechnen, heißt es in Berlin.
Personengesellschaften und Einzelunternehmer zahlen Einkommensteuer – so wie Arbeitnehmer auch. Kapitalgesellschaften hingegen zahlen Körperschaftsteuer, deren Sätze niedriger sind. Bei der letzten großen Reform der Unternehmensbesteuerung im Jahr 2008 sorgte der damalige Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) zwar dafür, dass Personenunternehmen auf Antrag von Steuervorteilen profitieren können, wenn sie Gewinne nicht entnehmen („Thesaurierungsbegünstigung“). Gleichstand zu den Kapitalgesellschaften entstand aber noch nicht. Hinzu kommt, dass bisher nur ein Bruchteil der Personengesellschaften tatsächlich die existierenden Möglichkeiten in Anspruch nimmt. Die praktische Anwendung ist kompliziert.
Denkbar ist jetzt, dass das Finanzministerium vorschlägt, die Steuersätze auf einbehaltene Gewinne zu senken. Diskutiert wird aber auch, den Inhabern von Personengesellschaften ein Wahlrecht einzuräumen: Sie könnten sich dafür entscheiden, dass ihre Firma wie eine Kapitalgesellschaft besteuert wird. Dieses Optionsmodell findet sich auch in einem aktuellen Diskussionspapier zur Steuerpolitik, mit dem sich gerade die Unions-Bundestagsfraktion für die Auseinandersetzung mit dem Finanzminister munitioniert.
Etwas Ruhe an der Steuerfront
Sollte sich Olaf Scholz dafür entscheiden, den Familienunternehmen etwas Gutes zu tun, könnte er zumindest etwas Druck aus der Debatte um eine generelle Senkung der Unternehmenssteuern nehmen. Angesichts der erlahmten Konjunktur und umfangreicher Steuersenkungen in Ländern wie den USA und Frankreich werden hierzulande die Forderungen nach einer Entlastung der Wirtschaft immer lauter. „Der Steuersenkungswettbewerb ist wieder voll entbrannt“, sagt der Steuer-Experte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), Stefan Bach. „Scholz will etwas Ruhe an der Steuerfront haben.“
Die große Frage ist, ob die Union und die Wirtschaft den Minister so leicht davonkommen lassen. „Nach dem jahrelangen Boom muss Deutschland wieder verstärkt auf seine Wettbewerbsfähigkeit achten“, meint der Generalsekretär des CDU-Wirtschaftsrats, Wolfgang Steiger. In die gleiche Kerbe schlägt Fraktionsvize Andreas Jung, der auch der CDU-Landesgruppe Baden-Württemberg im Bundestag vorsitzt. „Wir müssen jetzt den Mittelstand stärken und Familienunternehmen entlasten: Soli abschaffen, Strukturen vereinfachen und Bürokratie abbauen!“