Seit Jahrtausenden greift der Mensch in die Natur ein und verändert so den Planeten. Wie und mit welcher Wirkung zeigt eine Ausstellung im Stuttgarter Naturkundemuseum. Sie unterbreitet jedoch auch Lösungsvorschläge, vor allem im Begleitprogramm.

Stuttgart - Seit Jahrtausenden hinterlässt der Mensch deutliche Spuren auf dem Planeten Erde. Im Nordschwarzwald haben Archäologen Bodenverunreinigungen freigelegt, die aus der Eisenverhüttung im 5. oder 6. Jahrhundert vor Christus stammen. Wasser und Luft nahmen schon damals Schaden, ganze Wälder sind für die Verhüttung abgeholzt worden. Im Vergleich zu heute waren das eher kleine Fußabdrücke. „Bis heute haben sich Menschen die Natur angeeignet, sind überall eingedrungen und selbst zur Naturgewalt geworden – mit teils dramatischen Folgen“, sagt Lars Krogmann, der Interimsdirektor des Naturkundemuseums Stuttgart.

 

Für die Natur ist der Mensch eher eine Last

Die Eingriffe in die Natur sind im Lauf der Evolutions- und Kulturgeschichte so enorm geworden, dass Forscher vor 21 Jahren ein neues Zeitalter ausgerufen haben: das Anthropozän, das Zeitalter des Menschen. Der macht zwar nur 0,01 Prozent der Biomasse auf der Erde aus, hat aber trotzdem enormen Einfluss auf die pflanzliche Biomasse – immerhin 82 Prozent. Unter menschlichem Einfluss sind Tiere ausgestorben, Wasser und Luft schwer belastet worden. Die Große Landesausstellung im Schloss Rosenstein zeigt, wie es dazu kommen konnte, mit Filmen, Diagrammen, Dioramen und führt Bestände des Naturkundemuseums mit Wissenschaft zusammen.

„In unseren Sammlungen sind Rückgang und Aussterben verschiedenster Arten über die Zeit hinweg dokumentiert“, sagt Lars Krogmann. Petra Härtl, Prähistorikerin und Kuratorin der Ausstellung, führt an das passende Exponat: eine Wand voller Glasvitrinen, in denen 6976 herrlich grün schimmernde Käfer aufgespießt sind. Alle diese Exemplare des Großen Puppenräubers sind in Spanien an nur einem Tag unter dem Einsatz von DDT eingegangen. Er ist ein Feind des Eichenprozessionsspinners. „Heute fällt uns wieder nichts Besseres ein, als Gift gegen den Prozessionsspinner einzusetzen“, sagt der Museumschef.

Wissenschaftliche Erkenntnisse helfen, die Welt zu retten

Die Ausstellung schlägt den Bogen am Ende aber auch dorthin, wozu der Mensch im positiven Sinn imstande ist: zum Recyceln, zum Renaturieren, zum Abbauen von Müll mithilfe von Algen und Flechten, zum Zersetzen von Styropor mithilfe von Mehlwürmern, zur Entnahme von CO2 und zu dessen Verwendung beim Bauen. „Die Ausstellung soll keine abstrakte Frage stellen und kein erhobener Zeigefinger sein, sondern Zusammenhänge herstellen und Wissen vermitteln“, sagt Petra Olschowski, Staatssekretärin im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst. Die begleitenden Vorträge zur Ausstellung, bestritten von den Stuttgarter Universitäten, belegen dies. Das Land unterstütze die Große Landesausstellung mit 650 000 Euro „und macht damit deutlich, von welch enormer Bedeutung das Thema für die Gesellschaft ist“, so Olschowski.

Spannendes Rahmenprogramm

Vor allem für die jüngere Generation. Deshalb hat die Baden-Württemberg-Stiftung das pädagogische Rahmenprogramm mit 25 000 Euro gefördert. „Wir müssen den Kindern erklären, was wir selbst für Natur und Umwelt tun können“, sagt Christoph Dahl, der Geschäftsführer der Stiftung. Dabei hilft unter anderem ein Heft, das für Kinder ausgegeben wird. „Rette den Frosch“ heißt das Spiel, das zum Rätseln auffordert. Für Schulklassen sind Führungen angeboten. Zusammen mit der Kuratorin Petra Härtl stehen anthropozäne Stadtspaziergänge zu vier verschiedenen Zielen auf dem Programm, bei Workshops kann aus Abfall ein kleines Quartier für Insekten gebastelt werden, und bei einem Thementag geht es um die Frage: „Sind wir noch zu retten?“. „Ja“, sagt Lars Krogmann, „dank der Generation, die wir jetzt ausbilden.“

Die Ausstellung „Anthropozän – Zeitalter? Zeitenwende? Zukunft?“ im Naturkundemuseum Schloss Rosenstein dauert von 13. Oktober 2021 bis 19. Juni 2022. Montags ist geschlossen. Die Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag von 9 bis 17 Uhr sowie Samstag, Sonntag und Feiertage von 10 bis 18 Uhr