Ein 24-jähriger Chef hält Stuttgarts ältesten Club jung: Die Boa feiert ihren 48. Geburtstag mit einer großen Party für Gäste quer durch die Generationen. Nach dem Tod des Inhabers Rainer Frankfurth geht es in seinem Sinne weiter.
Das Jahr 2024 war kein gutes Jahr für die Freunde der Boa: Im August ist der Betreiber Rainer Frankfurth im Urlaub in Ecuador im Alter von 61 Jahren einem Herzinfarkt erlegen. Wenige Monate davor hatte der gelernte Industriekaufmann mit Faible für Musik und für das Nachtleben einen jungen Betriebsleiter für die Tübinger Straße eingestellt: den heute 24-jährigen Henrik Biegger, der, schneller als ihm lieb ist, die alleinige Verantwortung für den ältesten Club von Stuttgart übernehmen muss, der obendrein zu den ältesten Diskotheken Deutschlands zählt.
Nach Monaten der Trauer, die immer noch nachwirkt, wird in der Boa nun groß gefeiert. Ein 48. Geburtstag, zu dem Henrik Biegger frühere und heutige Stammgäste eingeladen hat, ist eine Besonderheit in der schnelllebigen Partyszene. Schon immer ist die Diskothek, die Werner „Sloggi“ Find 1977 mit zwei Partnern gründete und ihr den Namen einer Schlange gab, nicht den Trends hinterhergerannt, sondern hat ihr eigenes Ding durchgezogen. Das setzt sich von Generation zu Generation fort.
Auf Statussymbole kommt es in der Boa nicht an
In der Boa vermischen sich Zielgruppen, der Student tanzt neben dem Schlosser, die Buchhändlerin neben dem IT-Manager. Auf Statussymbole kommt es hier nicht an. Die Boa ist nicht der Hotspot für Schickis und Rolexträgern, aber dafür strömen die Normalos der Stadt rein und fühlen sich wohl. Dies ist das Erfolgsrezept.
Henrik Biegger hat die Marke Boa von Frankfurths Erben gekauft, die Ablöse gezahlt und will den Betrieb im Sinne seines verstorbenen Förderers Rainer Frankfurth weiterführen, mit dem er sich auf Anhieb gut verstanden hat, als dieser ihm nach dem zufälligen Kennenlernen das Nachtleben zeigen wollte. „Henrik ist der Sohn, den Rainer nie hatte“, sagen die Freunde der Familie.
Viermal in der Woche öffnet Biegger die Erdgeschoss-Räume, was in Zeiten, da etliche Stuttgarter Clubs über rückläufige Besucherzahlen klagen und oft nur noch freitags und samstags aufmachen, ein Zeichen dafür ist, dass es läuft. „Das Durchschnittsalter bei uns ist 30“, sagt der 24-jährige Chef. Der Montag bleibt der Tag der After-Work-Party, die um 18 Uhr beginnt und schon vor 30 Jahren beliebt war.
Die Nacht der Erinnerungen
Der 24-Jährige arbeitet weiterhin in der Firma seines Vaters, um sich nicht zu abhängig zu machen von den möglichen Aufs und Abs des Nachtlebens. Bei der Party zum 48. Geburtstag hat er ein Büfett aufgebaut und einen Saxofonspieler engagiert. Henrik Biegger freut sich, dass Boa-Stammgäste aus vergangenen Epochen seiner Einladung gefolgt sind. Das Haus an der Tübinger Straße wird zum Mehrgenerationshaus, in dem Erinnerungen ausgetauscht werden.
In der Boa sind die Seile, die wie Schlangen von der Decke hingen, längst verschwunden. Der Brandschutz wollte das so. Früher, als man noch rauchen durfte beim Tanzen, haben sie wohl keine Behörde gestört. Wisst ihr noch? Geschichten von früher werden erzählt, etwa die vom Stuttgarter Oberbürgermeister. Der Türsteher ließ in den 80ern den jungen Frank Nopper nicht rein. Erst als sich dieser sich an die Fersen des schönsten Girls der Klasse geheftet habe, sei er reingekommen, so erzählt man sich noch heute. Auch Boris Becker, Thomas Gottschalk und Prinz Albert von Monaco waren schon da. Ob sie auch schon mal an der Tür abgewiesen wurden, ist nicht überliefert.
Boa plant eine Roof-Top-Party mitten in der City
Die Tanzfläche brummt bei der Party zum 48. Geburtstag. Je später die Nacht, desto voller wird’s. Die Musik vereint alte und neue Hits. Gefeiert wird bis um halb fünf in der Frühe. Henrik Biegger schmiedet neue Pläne, damit die Boa, die Legende, beim Älterwerden jung bleibt. Eine fünfstellige Summe, sagt er, werde er investieren, um etwa die Decke mit Pflanzen zu dekorieren. Mehrere LED-Monitore werden aufgehängt. Auch auswärts wird die Boa feiern: Im Mai geht’s mit einer Roof-Top-Party an zentraler Stelle in der City los. Wo genau, das ist noch ein Geheimnis.