Extreme Wetterereignisse gibt es immer wieder, wie viele Kommunen sind davon schon betroffen gewesen und wie sorgen sie vor? Das wollte das Umweltbundesamt wissen und startete eine Befragung.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Ein Großteil der Kommunen in Deutschland ist in den vergangenen zehn Jahren von Extremwetter-Ereignissen betroffen gewesen. Das geht aus einer repräsentativen Befragung von Landkreisen, Städten, Gemeinden und Gemeindeverbänden im Auftrag des Umweltbundesamtes hervor.

 

Große Mehrheit der Kommunen von Extremwetter betroffen

  • 77 Prozent der Kommunen gaben demnach an, in den vergangenen zehn Jahren von den Folgen extremer Wetterereignisse oder anderen negativen Klimawandelfolgen betroffen gewesen zu sein.
  • Nur 16 Prozent waren davon nicht betroffen, sieben Prozent machten keine Angaben oder erklärten, es nicht zu wissen. Zu den Extremwetterereignissen zählen etwa Starkregen, lang anhaltende Hitzeperioden und Dürren.
  • 7 Prozent machten keine Angaben oder erklärten, es nicht zu wissen.

Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) forderte eine Grundgesetzänderung, um die Verteilung der Klimaanpassungskosten zwischen Bund, Ländern und Kommunen neu zu ordnen. Die Länder und Kommunen könnten diese nicht alleine stemmen, sagte sie. Der Bund müsse gemeinsam mit den Ländern mehr Geld an die Städte und Gemeinden geben.

Hochwasser: Das Wasser steht erhöht Rheinboulevard (Archivbild vom 19. Mai 2024). Foto: dpa/Sascha Thelen

Kaum Maßnahmen zur Anpassung an Klimafolgen

Trotz der unmittelbaren Erfahrungen verfügen die wenigsten Kommunen über einen Plan zur Anpassung an Klimawandelfolgen:

  • Nur etwas mehr als zwölf Prozent der befragten Kommunen gaben an, bereits ein Klimaanpassungskonzept ausgearbeitet zu haben.
  • Etwa 23 Prozent erstellen nach eigenen Angaben derzeit ein solches Konzept.
  • 31 Prozent gaben an, das Thema Klimaanpassung in anderen Fachstrategien zu bearbeiten. Eine Mehrheit der befragten Kommunen ist demnach bereits aktiv.
Stürme: Feuerwehrleute arbeiten in Frankfurt am Main an der Beseitigung eines umgestürzten Baumes nach einem Sturm (Archiivbild vom 15. April 2024). Foto: dpa/Mike Seeboth

Woran die Klimaanpassung oft scheitert

Viele Kommunen sehen Hemmnisse bei der Klimaanpassung:

  • 82 Prozent stimmten der Aussage zu, dass die „Verwaltungsstruktur“ eine große Herausforderung darstelle.
  • Es geht aber auch um fehlende Mittel und zu wenig Personal: Die insgesamt 678 Kommunen, die Maßnahmen planen oder umgesetzt zu haben, nennen als Barriere am häufigsten einen Mangel an personellen (80 Prozent) und finanziellen Ressourcen (73 Prozent).

Insgesamt wurden 4691 Landkreise, Städte, Gemeinden und Gemeindeverbände zur Teilnahme an der Befragung eingeladen. 1062 Kommunen aus allen Bundesländern beteiligten sich an der Erhebung.

Hitzewellen: Die Sonne geht hinter dem Heizkraftwerk Linden und dem Neuen Rathaus unter (Archivbild vom 12. August 2024). Foto: dpa/Julian Stratenschulte

Nehmen Extremwetter-Ereignisse zu?

Hochwasser und Dürren werden in Deutschland nach Forscherangaben weiter zunehmen. „Viele Studien, auch eigene, zeigen, dass mit steigenden globalen Temperaturen auch die Anzahl und Intensität von Extremen wie Hochwasser in Deutschland ansteigen“, betont der Hydrologe Fred Hattermann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK).

Dabei könnte die Realität die Modelle noch übertreffen. „Wir unterschätzen die Extreme noch, glaube ich, weil Klimamodelle nicht für solche Ereignisse angelegt sind, sondern vor allem zur Untersuchung von Klimasystemen und Änderungen im Klima.“

Nadel- und Laubbäume stehen in einem Waldstück bei Rottweil. Die Bäume in Deutschland leiden unter den Folgen der Klimakrise. Dürre und hohe Temperaturen, aber auch der Befall mit Parasiten setzen den Wäldern zu. Foto: dpa/Silas Stein

Regnet es mehr in Deutschland?

Das langjährige Mittel der Niederschläge in Deutschland hat sich kaum geändert. „Für Deutschland gibt es da keine starken Trends, aber die Variabilität der Niederschläge steigt“, erklärt Hattermann. Das heißt: Es gibt stärkere Regen, aber auch längere trockene Zeiten. Das hat laut Hattermann zwei Gründe:

  • Luft erwärmt sich: Durch den Klimawandel erwärmt sich die Luft, die dann mehr Wasser aufnehmen könne. „Die Wassermenge pro Kubikmeter Luft ist gestiegen.“ Das bedeutet zunächst längere Trockenphasen. Und wenn es mal regnet, dann fällt mehr Wasser auf die Erde.
  • Stabilere Wetterlagen: „Wir haben stabilere Großwetterlagen über Europa.“ Das hänge mit dem Einfluss des Klimawandels auf den Jetstream zusammen, einer welligen Luftströmung in einigen Kilometern über der Erdoberfläche, wobei die einzelnen Zusammenhänge noch nicht exakt geklärt seien, so Hattermann. „Ein Hochdruckgebiet dreht sich dabei im Uhrzeigersinn und bringt trockene Luft vom eurasischen Raum nach Deutschland.“ Das führe zu wenig Niederschlag und Dürre.

Unwetter sind zehn Prozent intensiver

Das Forschungskonsortium Climameter hat Tiefdruckgebiete am Ende des 20. Jahrhunderts (1979 bis 2001) mit solchen aus den letzten Jahrzehnten (2002 bis 2023) verglichen. Tiefdruckgebiete, wie sie jetzt in Süddeutschland auftraten, sind demnach inzwischen etwa zehn Prozent intensiver. Climameter ist ein von der Europäischen Union und der französischen Forschungsorganisation CNRS finanziertes Forschungsprojekt.

Anfang Juni 2024 hatten Unwetter zu schweren Regenfällen und Überschwemmungen vor allem in Bayern und Baden-Württemberg geführt. Mehrere Menschen starben, Tausende mussten in Sicherheit gebracht werden, es kam zu Erdrutschen und Dammbrüchen.

Enorme Schäden tauch in hoch entwickelten Länder

„Die Ergebnisse von Climameter zeigen, dass der durch CO2-Emissionen verursachte Klimawandel auch hoch entwickelte Länder wie Deutschland trifft und soziale, wirtschaftliche und ökologische Schäden verursachen kann“, sagt der CNRS-Aautor Davide Faranda.

Die Klimaforscherin Erika Coppola vom International Centre for Theoretical Physics (ICTP) bei Triest in Italien erklärt, dass selbst in einem Land wie Deutschland mit gut für Hochwasser präparierten Flussufern die derzeitigen Maßnahmen nicht mehr ausreichten, um die gestiegenen Abflussmengen zu bewältigen.

„Es müssen Strategien und neue Maßnahmen ergriffen werden“, so Coppola, „um der steigenden Wahrscheinlichkeit ähnlicher Hochwasserereignisse zu begegnen, die im Vergleich zur Vergangenheit immer häufiger auftreten und aufgrund des vom Menschen verursachten Klimawandels voraussichtlich weiter zunehmen werden.“