Die Bilder vom Großeinsatz in der Landeserstaufnahmestelle in Ellwangen im vergangenen Mai gingen bundesweit durch die Medien. Es gelte, die Entstehung eines rechtsfreien Raums zu verhindern. Doch war die Razzia überhaupt zulässig?

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Ellwangen - Im Sommer nach Italien abgeschoben, kurz vor Weihnachten wieder eingereist: Jetzt soll der Asylbewerber Alassa M., der im vergangenen Jahr in Ellwangen eine Flüchtlingsdemonstration organisiert hat, erneut Deutschland verlassen. Das Bundesamt für Migration (BAMF) habe die Bearbeitung des Asylantrags des Kameruners abgelehnt, bestätigte sein Rechtsanwalt Roland Meister. Seine Kanzlei habe mittlerweile gegen die „ungewöhnliche Eilentscheidung“ des BAMF Klage beim Verwaltungsgericht in Karlsruhe eingereicht. In der dortigen Erstaufnahmeeinrichtung (LEA) wohnt der Mann seit seiner Wiedereinreise.

 

Es ist nicht der einzige Rechtsstreit, in dem die Gelsenkirchener Kanzlei Alassa M. vertritt. So ist am Landgericht Hamburg eine Klage gegen die „Bild“-Zeitung anhängig. Das Boulevardblatt hatte behauptet, Alassa M. habe „im Mai in der LEA in Ellwangen aggressiven Widerstand gegen einen Polizeieinsatz organisiert“. Den „unfassbaren Fall“ des jungen Mannes stellte „Bild“ als Beispiel für das Versagen der Politik heraus. Ähnlich äußerten sich die Fraktionschefs der AfD im Bundestag, Alice Weidel und Alexander Gauland.

Diffamierungen durch die Bild-Zeitung“

Rechtsanwalt Meister sprach von „wahrheitswidrigen Diffamierungen“ und einer Rufmordkampagne. Tatsächlich war es Ende April in der LEA in Ellwangen zu einem nächtlichen Tumult gekommen. Damals hatte die Polizei einen angeblich aus Togo stammenden Mann zur Ausreise nach Italien abholen wollen. Die Beamten mussten die Abschiebung abbrechen, was zu bundesweiten Diskussionen führte. Drei Tage später rückte die Polizei mit einem Großaufgebot an. Es habe die Gefahr bestanden, dass sich in der LEA ein rechtsfreier Raum herausbilde, rechtfertigte der Aalener Polizeipräsident Bernhard Weber die Razzia.

Bisher hat die Staatsanwaltschaft wegen des Tumults niemanden angeklagt. Eine Entscheidung über das Ergebnis der Ermittlungen werde in den nächsten Tagen veröffentlicht, erklärte die Behörde. „Im Hinblick auf die Medienberichterstattung“ stellte sie jedoch klar, dass Alassa M. nicht an den Ausschreitungen beteiligt und auch kein Rädelsführer war. Man habe nie gegen ihn ermittelt. Erst später, bei der Organisation einer friedlich verlaufenen Flüchtlingsdemo in der Ellwanger Innenstadt, trat er in Erscheinung. Die „Bild“-Zeitung äußerte sich auf Nachfrage nicht.

„Kein richterlicher Beschluss“

Derweil zweifelt Meister auch an der Rechtmäßigkeit der Razzia. In Stuttgart reichte er eine Klage gegen das Land Baden-Württemberg ein. Nach Ansicht des Rechtsanwalts wird vor Gericht zu klären sein, ob eine von Flüchtlingen bewohnte Gemeinschaftsunterkunft anders als eine Privatwohnung von der Polizei einfach so betreten und durchsucht werden darf. „Es lag kein richterlicher Beschluss vor und es war auch keine Gefahr in Verzug“, sagt Meister. Das Innenministerium wollte sich dazu nicht äußern. Die Polizei berief sich auf die Zustimmung des LEA-Leiters. „Wir gehen davon aus, dass die Maßnahmen rechtmäßig waren und wir die Gesetze richtig ausgelegt haben“, sagte ein Polizeisprecher.