Drei Tage lang war Bad Cannstatt in der Hand der Narren: Mit einem großen Umzug am Sonntag ging das Narrentreffen der Vereinigung Schwäbisch-Alemannischen Narrenzünfte zu Ende.

Stuttgart - Als ein prächtiges Schauspiel schwäbisch-alemannischer Fasnetstradition und ein Fest für Tausende von Zuschauern hat sich der große Umzug durch die Gassen der Altstadt gezeigt. Der Höhepunkt des Narrentreffens der Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte hatte am Vorabend Anlauf genommen, als an Brunnenplätzen und am Holzmarkt Zünfte ihr Brauchtum vorführten, umringt vom bestens aufgelegten Narrenvolk. Höhepunkt war die „Hexenverbrennung“ auf einem Ponton auf dem Neckar, mit der die Offenburger Hexenzunft sonst am Fasnetsdienstag die Fasnet verbrennt. Pyrotechnisch aufgerüstet hat das hübsch Spektakel gemacht.

 

Bis zur Sperrstunde um fünf

Dann aber ging’s erst richtig los mit der Narren-Party durch die Altstadt und bei Sperrstunde um fünf Uhr. So wollte manch Kübler von der Cannstatter Zunft am Morgen danach im Ratssaal versichern, er wisse „schon noch so ungefähr“, wie er nach Hause gekommen sei. Zum Zunftmeisterempfang mit Vertretern aller 71 am Treffen teilnehmenden Zünfte waren aber alle da. Dabei ging es hoch her, mit einer Art Narrengericht und Beiträgen in der Manier von Büttenreden, während auf dem Platz unten der Frühschoppen fürs gemeine Narrenvolk abging. In der Marktstraße standen die Zuschauer schon dicht gedrängt und entschlossen, die vorderen Plätze zu verteidigen.

Das zweite Startsignal kam von den Felben

Mächtige Böllerschläge auf der Wilhelmsbrücke gaben das Startzeichen für die wartenden Zünfte. Ein bisschen nervös machte das nur Marion und Schorsch, die französischen Kaltblüter, die den offenen Wagen mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann und OB Fritz Kuhn zu ziehen hatten, der den Zug anführte. Hinter dem ersten der 71 Täfele, alle von Kindern der Eichendorff-Gemeinschaftsschule gemalt, der gastgebende Kübelesmarkt, der nicht nur seine alten, historischen Felben, sondern auch Halb- und Vollmond sowie den Brunnengeist in deren ersten Form auf den Weg schickte. Wie ein zweites Startzeichen wirkte, als die über hundert Felben mit einem Mal ihre Rätschen mit ohrenbetäubendem Lärm kreiseln ließen.

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Die Straße war eine einzige Bühne

Nun war die Straße eine einzige Bühne, auf der die Ausprägungen der schwäbisch-alemannischen Fasnacht in ihrer Vielfalt zu erleben waren. Plätzle-Buba, Krettenweiber, Weißnarren und Hexen, Mostköpfe, Lach- und Heulgesichter, Schreckensmasken wie von einem Erdbeben verschoben, Grobstaub-Produzenten, Henker, Fahnenschwinger, Binsengeister oder Altjungfern, die ihr Pech in pelzbesetztem Gewand mit Würde tragen. Mal heidnisch-naturnah und düster im Reisiggewand, mal städtisch-gesetzt und verfeinert im Patrizierhäs. Die arme und die reiche Fasnet, manchmal sogar in einer Zunft, wie bei den Gengenbachern.

„In Stuttgart wird man festgenommen, wenn man Hurra schreit“

Dieses Schauspiel wollte scheinbar kein Ende nehmen. Dabei hatte sich nach anderthalb Stunden gerade einmal ein Drittel der Zünfte auf den Weg gemacht: „Da kommt jetzt noch soviel!“, freute sich Manfred Häusser aus Zuffenhausen, der auch sonst die Begeisterung der Zuschauer am Straßenrand auf den Punkt brachte: „Beim Stuttgarter Fasching wird man festgenommen, wenn man Hurra schreit. Das hier aber ist richtige Fasnet! Fröhlich, ausgelassen und mit viel Tradition!“ Groß und Klein hatte daran sein Vergnügen. Auch weil die schwäbisch-alemannischen Narren gerne zum Publikum gehen, mit ihm spielen und es beschenken. Ganz im Sinne des prinzipiellen Mottos der Fasnet: „Allen zur Freud, keinem zum Leid.“