Mit einer trotzigen Rede wehrt sich der Berliner Regierungschef Klaus Wowereit (SPD) gegen den Misstrauensantrag der Opposition. Am Samstag wird im Berliner Abgeordnetenhaus abgestimmt.

Berlin - Die Zahl der glänzenden Redner im Berliner Abgeordnetenhaus tendiert gegen Null – und so ist es am Donnerstag einer der leidenschaftlicheren Momente, als Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) fast ins Mikrofon schreit: „Ein Rücktritt ist nicht die schlimmste Form, Verantwortung zu übernehmen.“ Es gibt ein paar kleine Lacher von den Oppositionsbänken her. Der Regierungschef ruft darüber hinweg. „Es ist viel komplizierter, sich der Verantwortung zu stellen.“ Wowereit sagt, er habe sich genau geprüft, ob er weitermachen könne.

 

Schulterklopfen und Küsschen für den Bürgermeister

Das ist das Credo des nach der vierten Verschiebung der Flughafeneröffnung schwer angeschlagenen Klaus Wowereit: dass er keiner sein möchte, der in einer schwierigen Situation wegläuft, dass Durchhalten zu den Dingen gehört, die eben nicht jeder kann. Nun könnte für Wowereit auch der Moment nahen, in dem niemand mehr ihn am Weglaufen hindern würde – aber vorerst ist das nicht der Fall: Als die Opposition ihren Misstrauensantrag gegen den Regierungschef ins Parlament einbringt, da schließen sich die Reihen der Großen Koalition fest.

Wie eine Elefantenherde um ihren Bullen, so drängen sich die Senatoren von SPD und CDU vor Sitzungsbeginn um ihren Kabinettschef. Man plaudert, klopft einander auf die Schulter oder gibt Küsschen, jedes Zeichen soll sagen: wir stehen hier und ihr könnt uns gar nichts. Das stimmt wahrscheinlich: Um den Bürgermeister zu stürzen müsste die Opposition 75 Stimmen zusammen bekommen, aber Grüne, Linke und Piraten haben gemeinsam nur 63 Mandate. Die für Samstag geplante Abstimmung ist eine namentliche. Es klingt hart wie Beton, wenn der SPD-Fraktionschef Raed Saleh in seiner Rede erklärt: „Wir haben eine Flughafenkrise, keine Regierungskrise“, – und anschließend aufzählt, welche Erfolge auf ganz anderen Politikfeldern das rot-schwarze Bündnis seiner Ansicht nach bisher erreicht habe. Er wirft der Opposition vor, in beispielloser Weise das „im Kern technische Problem“ beim Bau des Flughafens auf Wowereit zu personalisieren. CDU-Fraktionschef Florian Graf sagt zwar: „Ja, unsere Stadt hat sich ein weiters Mal weltweit blamiert.“ Für ihn ist das aber kein Grund, der Regierung das Vertrauen zu entziehen. Ein Hinterbänkler der SPD sagt in der Lobby, die Opposition habe Wowereit mit ihrem Misstrauensantrag einen Gefallen getan: die Koalition werde dadurch in der Krise gestärkt.

„Die Chance auf einen würdigen Abgang verpasst“

Wie lang das hält, dazu wagt in Berlin im Moment keiner eine Prognose. Auf den Fluren des Parlaments wird innerhalb der Koalition auffällig viel und auffällig offen über die Frage geredet, was noch passieren darf, bevor die Tage Wowereits als Bürgermeister gezählt sind.

Aber für diese Stunde im Parlament scheinen all die Vorwürfe, die die Oppositionsführerin und grüne Fraktionschefin Ramona Pop Wowereit macht, ins Leere zu laufen: Er habe das Vertrauen der Bürger verspielt, die ganze Welt mache sich über Berlin lustig, sagt Pop. „Das tut weh.“ Sie vergleicht Wowereits Verhalten als Aufsichtsratschef mit dem eines Schirmherren. Pop selbst aber nimmt das erwartete Abstimmungsergebnis schon vorweg: „Der Regierende Bürgermeister hat die Chance auf einen würdigen Abgang verpasst, jetzt kommt für ihn der Abgang am Samstag oder auf Raten.“

Die Linkspartei – einklemmt zwischen ihrer neuen Oppositionsrolle und ihrer Vergangenheit auf der Regierungsbank (und im Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft) – redet lieber über das Versagen der Koalition bei ganz anderen Themen als über den Flughafen. Und so schafft es Klaus Wowereit, eine Rede zu halten, die nicht als die schlechteste des Tages gilt, in der er sich zwar bei den Berlinern für die neue Verschiebung entschuldigt, aber nicht erklären muss, was der Grund dafür ist, dass die Öffentlichkeit alles mit Verzögerung und aus der Zeitung erfahren hat. Er erklärt auch nicht, wie es jetzt auf der Baustelle weitergehen soll. Für ihn ist, zumindest bis zum Samstag, erst einmal eines wichtig: „Die Koalition steht.“