Die Großgemeinde auf den Fildern hat im vergangenen Jahrzehnt mehrere Priester kommen und gehen sehen. Im Februar 2021 beginnt der 43-jährige Dominik Weiß in Stuttgart-Degerloch. Vorher gönnt er sich eine Auszeit – und ein Weihnachtsfest in der Fremde.

Klima & Nachhaltigkeit: Judith A. Sägesser (ana)

Filder/Stuttgart - Man sollte gehen, wenn es am schönsten ist, sagt Dominik Weiß. Der 43-Jährige sitzt im Besprechungsraum seiner Gemeinde, die Juli-Sonne scheint ins Zimmer. Eben hat er noch mit einer älteren Dame an der Tür gesprochen, einen Termin für einen Besuch ausgemacht. Ein Glück, dass das wieder möglich ist. „Die Menschen haben mir total gefehlt“, sagt Dominik Weiß. Corona war ein Abschied auf Zeit. Im Fall von Weiß ein kleiner Vorgeschmack, denn er hat sich entschieden, nach zwölf Jahren in Tübingen die Stelle zu wechseln. Er kommt zum 7. Februar 2021 auf die Filderebene: Er ist dann für die katholischen Gemeinden in Degerloch, Sillenbuch, Heumaden und Hohenheim zuständig.

 

Studiert hat Dominik Weiß in Tübingen und in Rom

Dominik Weiß, weißes Hemd, Brille, Kurzhaarschnitt, würde auf den ersten Blick auch als Betriebswirtschaftler durchgehen. Der 43-Jährige ist aber Priester geworden, weil er schon früh in seinem Leben gemerkt habe, dass das Richtige für ihn ist. „Ich will Priester sein“, sagt er. „Und ich habe es nie bereut.“ Studiert hat er in Tübingen und in Rom.

Er halte es für das Zentrale, dass das Wort Gottes verkündet werde, sagt er. „Man sollte nicht bei der Frage verharren, wer es tut.“ Damit deutet er eine liberale Haltung an, eine, die Modernisierungsdebatten in der katholischen Kirche durchaus begrüßt. Strikte Regeln, wie den Zölibat, sollten überdacht werden. Aber auch das Engagement von Frauen und Ehrenamtlichen in den Gemeinden sei zu unterstützen, findet Dominik Weiß. Dabei ist dies nach wie vor nicht selbstverständlich in seiner Kirche. Erst jüngst hatte der Papst, für viele Katholiken überraschend deutlich, in einem Papier klargestellt, dass manche Aufgaben nur ein Pfarrer erfüllen könne.

Nach nur drei Jahren hat sich Stefan Karbach wieder verabschiedet

Themen wie diese dürften auch bei ersten Kennenlern-Gesprächen auf den Fildern zur Sprache gekommen sein. Von beiden Seiten war hinterher zu hören, dass es gut passt. Als sich die Möglichkeit aufgetan habe, sagt Dominik Weiß, „war das eine Gelegenheit, bei der ich zupacken musste“. Die Großgemeinde mit ihren rund 14 000 Mitgliedern hat personell einiges verdauen müssen im vergangenen Jahrzehnt. Sie hat Pfarrer kommen und gehen sehen. Zuletzt hatte sich Stefan Karbach nach nur drei Jahren verabschiedet. Er ist zusammen mit der Pastoralreferentin Kirstin Kruger-Weiß Leiter des neuen Spirituellen Zentrums des Stadtdekanats geworden. Auch in Degerloch soll ein besonderes Zentrum entstehen: für Trauerpastoral. Das passt, da die Katholische Kirche nahe der Mariä-Himmelfahrt-Kirche das Hospiz Sankt Martin hat. Dominik Weiß freut sich, da mitzugestalten. „Ich habe Lust, auf etwas Neues.“ Bis Anfang Oktober sei er noch in Tübingen und müsse sich lösen. Die endgültige Entscheidung, dass er die Gemeinde wechseln wird, sei in die Corona-Zeit gefallen. Wirklich Gelegenheit, mit den Menschen zu reden, hatte er nicht. Aber er habe viele Mails, Briefe und Anrufe bekommen.

Ohne Corona wäre es für ihn vermutlich nach Neuseeland gegangen

Von November bis Januar, nachdem er sein neues Zuhause in Degerloch bezogen hat, will Dominik Weiß weg. Ohne Corona wäre es vermutlich Neuseeland geworden, jetzt fährt er an die Ostsee. Aber weiß Gott nicht nur, um auszuspannen. „Ich will nicht drei Monate nichts tun“, sagt er. „Es ist als Priester mein Wunsch, Gottesdienste zu feiern, das ist für mich keine Arbeit.“ Er hat deshalb beim Erzbistum Berlin angefragt, ob man ihn als Aushilfe brauchen kann. Er würde gern dort Weihnachten feiern, würde in einer fremden Umgebung „überwintern und bei einer Gemeinde mitmachen“, sagt er.

Corona hat wohl nicht nur seinen Abschied anders gestaltet als geplant. Auch der Anfang auf den Fildern dürfte untypisch sein. In Tübingen kenne er die Menschen, habe Gesichter vor Augen, wenn die Kontakte eingeschränkt seien. In Stuttgart sei das nicht so. Doch Dominik Weiß sieht es positiv. So lerne er die Leute langsamer, aber dafür in kleineren Kreisen kennen. „Das hat auch einen gewissen Charme.“ Er lebe gern aus dem Augenblick heraus. „Und der ist jetzt einfach so.“