Alle drei Minuten eine U-Bahn – ein Gefühl von Unabhängigkeit? Grüne Felder und Wiesen lassen das Herz höherschlagen? Eine Großstädterin und ein Dorfkind erzählen, warum sie sich an ihrem Wohnort frei fühlen. [Plus Archiv]

Die Mehrheit der Menschen lebt in der Großstadt. So auch die 25-jährige Rebecca Eirich, die in Stuttgart aufgewachsen ist und derzeit dual an der DHBW Wirtschaftsingenieurwesen Facility Management studiert. „Ich würde niemals von hier wegziehen“, offenbart die Studentin. Im Interview erzählt sie, warum sie das Leben in der Großstadt liebt und wieso sie sich dort frei fühlt.

 

Menschenmassen, Stress, Chaos – die Großstadtklischees

Großstädte werden meist mit typischen Vorurteilen assoziiert: Städte sind eng, überfüllt und man hat kaum Freiräume. Aber was ist an diesen Aussagen eigentlich dran? Die Stuttgarterin erläutert ihre Ansicht: „Für viele erscheint das Leben in einer Großstadt so. Das zeigt aber nur eine Perspektive, denn trotzdem gibt es viele Freiflächen und Rückzugsorte. Wenn man raus aus dem Trubel will, kann man zu einem der vielen Parks gehen.“

Rebecca Eirich liebt es zum Beispiel am Killesberg spazieren zu gehen oder auf der Wiese am Max-Eyth-See zu liegen. Auch die Homepage der Stadt Stuttgart veranschaulicht, dass fast die Hälfte der Region aus Waldflächen und Parks besteht. Somit zeigt sich, dass nicht alle Stadt-Stereotypen berechtigt sind. Großstädte haben sowohl turbulente als auch ruhige Seiten.

Vielfältige Kultur- und Freizeitangebote

„In Stuttgart wird es niemals langweilig“, sagt die Städterin. Museen, Theater, Schlösser, Cafés und Restaurants – die Auswahl sei so gigantisch, dass man das ganze Jahr lang jeden Tag woanders hingehen könnte. „Ich liebe die Geschwindigkeit der Stadt, den Trubel und die Vielfalt der Menschen. Die Verfügbarkeit von allem, wonach ich mich sehne. Ich fühle mich hier frei, das zu machen, worauf ich Lust habe“, ergänzt Rebecca Erich. Wer in einer Großstadt wohnt, sollte also Veränderungen lieben. Alles ist ständig im Wandel und es gibt immer wieder etwas Spannendes zu entdecken.

Diverse Bildungsmöglichkeiten und hoher Arbeitsmarkt

„Mich faszinieren die vielen Möglichkeiten, die mir hier zur Verfügung stehen“, äußert Rebecca Eirich. Sie hat das Gefühl, sich hier in der Stadt frei entfalten zu können, ihre Potenziale auszubauen und verschiedene Perspektiven anzustreben. Schließlich zählt Stuttgart mit seinen etlichen Hochschulen zu dem bedeutendsten Bildungsstandort in Baden-Württemberg.

Typisch für eine Großstadt ist ebenso der große Arbeitsmarkt. Stadtbewohner:innen haben zahlreiche Chancen und Aussichten auf unterschiedliche Arbeitsbereiche. Die Studentin Rebecca Eirich sieht diesen Aspekt auch als zentralen Grund an, weiterhin in der Großstadt zu leben: „Die Stadt gibt mir ein sicheres Lebensgefühl, dass mir nach meinem Studium unendlich viele Optionen zu Füßen liegen werden.“ Besonders im Vergleich zum Landleben gibt es in der Stadt diverse Möglichkeiten und einen viel größeren Entfaltungsfreiraum.

Großstädte haben eine effiziente Infrastruktur

„Mir gefällt es total, dass ich zu jeder Tages- und Nachtzeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren kann. Das gibt mir ein unabhängiges freies Gefühl, dass ich zum Beispiel auch mal mittwochs nachts um drei aus dem Club nach Hause komme“, sagt die 25-jährige Stuttgarterin.

S-Bahnen, U-Bahnen, Regionale Züge und Busverbindungen – urbane Räume bieten einfach ein gut ausgebautes Netz an öffentlichen Verkehrsmitteln. Im Gegensatz zum Landleben ist es nicht zwingend notwendig, ein Auto zu besitzen. Auch E-Scooter, die man an jeder Ecke in der Stadt entdeckt, sind sehr praktisch und nützlich. Im Interview erzählt Rebecca Eirich, dass sie diese öfters mal für den Weg zur Uni verwendet.

Auf dem Land ist es anders

Perspektivwechsel: Ganz anders sieht es bei Shari Schmid aus. Sie ist ein Dorfkind und lebt in einer kleinen Gemeinde im Schwarzwald, die weniger als 800 Einwohner zählt. „Wenn man keinen Führerschein hat, ist es schwierig irgendwo hinzukommen”, weiß Shari aus eigener Erfahrung. Die öffentlichen Verkehrsmittel seien in den Städten viel besser. „Bei uns fährt vielleicht alle drei Stunden mal ein Bus und der kommt auch nicht immer.“

Tauschen würde die 27-Jährige trotzdem nicht: „Ich fühle mich deswegen nicht eingeschränkt. Zur Not kann ich mich immer noch aufs Fahrrad schwingen und losdüsen.” Das entschleunige, man würde die Zeit wieder mehr zu schätzen wissen.

Den Wald als Nachbarn

Shari ist auf dem Land aufgewachsen. „Ich fühle mich hier frei, bin glücklich”, schwärmt sie. Rund 15 Prozent aller Menschen in Deutschland würden ihrer Aussage wohl zustimmen: Sie leben in Gemeinden mit weniger als 5.000 Einwohner:innen. Doch woran liegt es, dass sich Menschen auf dem Land frei fühlen? „Ich gehe aus der Haustüre raus, laufe keine paar Meter und bin direkt im Wald”, antwortet Shari. Auch der Schlaf sei für sie auf dem Land viel erholsamer: „Nachts hat man seine Ruhe, man kann das Fenster aufmachen, bekommt frische Luft und kann einfach gut schlafen.”

Besserer Schlaf und mehr Gemeinschaft im Dorf

Ein weiterer Pluspunkt für sie: das Gemeinschaftsgefühl. Die Anonymität, durch die sich viele Stadtmenschen erst frei fühlen, sei nichts für sie. „Das Miteinander finde ich einfach viel besser im Dorf.“ Bei einem kleinen Spaziergang durch die Ortsmitte trifft sie oft bekannte Gesichter, die für ein kurzes Gespräch anhalten. „Man ist ständig auf dem Laufenden bei uns, der Dorftratsch geht an niemandem vorbei“, verrät sie lachend.

Der Naturforscher und Weltreisende Alexander von Humboldt sagte einmal: „Die Natur aber ist das Reich der Freiheit.“ Auch Shari weiß, welche positiven Auswirkungen die Natur auf ihr Stresslevel hat. Laut einer Studie des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung aus dem Jahr 2022 nimmt nach einem einstündigen Spaziergang in der Natur die Aktivität in Gehirnregionen ab, die an der Stressverarbeitung beteiligt sind.

Wenn Shari in der Natur unterwegs ist, lässt sie auch ihr Handy zu Hause. Auf diese Weise kann sie sich für eine Weile von den alltäglichen Sorgen befreien und zurück zu ihren Wurzeln kommen. „Man hört nur Vögel, fühlt den Wind im Haar, das find ich schön.“ Gerade im Frühling, wenn alles blüht, zieht es Shari verstärkt in die Natur. „Die Luft, der Duft von Blumen, das ist schon toll – auch wenn man sich öfter die Nase putzen muss“, erzählt sie fröhlich.

Stadtflucht als neuer Trend?

Trotz der Verstädterung in Deutschland beobachten Statistiker:innen einen auffälligen Trend: Stadtflucht. Laut einer Metastudie zu Stadt-LandBeziehungen im Auftrag der Zeit-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius aus dem Jahr 2021 will jede:r dritte Großstädter:in aufs Land ziehen. Kein Wunder, immerhin denken 85 Prozent der Deutschen beim Thema ländliche Regionen an Erholung, Freiheit und Natur. Für Shari ist klar: Sie möchte auf dem Land bleiben. „Meine Kinder sollen in der Natur und so unbeschwert wie möglich aufwachsen – genau wie ich.“

Egal, ob Freiheit nun bedeutet, jederzeit überall hinzukommen oder absolute Stille zu genießen: Es bleibt eine Typfrage. Zum Glück kann man selbst entscheiden, ob man dafür in die Stadt oder aufs Land ziehen möchte – genau wie Rebecca Eirich und Shari Schmid.

Dieser Text erschien zum ersten Mal am 19. August 2023.