Die neue grün-rote Koalition will den Abriss des Hotel Silber, eine ehemalige Gestapozentrale an der Dorotheenstraße, nicht zulassen.

Stuttgart - Im Koalitionsvertrag, den die neue Landesregierung von Grünen und SPD geschlossen hat, findet sich unter der Überschrift "Erinnerungskultur verstetigen" dieser kurze Absatz: "Orte der Erinnerungskultur werden konzeptionell und archivarisch unterstützt. Die Erinnerungskultur, die in zahlreichen lokalen und regionalen Initiativen einen neuen und gewichtigen Stellenwert im öffentlichen Leben bekommen hat, braucht Verstetigung und Verlässlichkeit." In einer Protokollnotiz, so heißt es , sei ausdrücklich der Erhalt des Hotels Silber erwähnt, die ehemalige Gestapozentrale an der Dorotheenstraße. Und weil überdies auch im Stuttgarter Gemeinderat Grüne, SPD sowie SÖS/Linke die Mehrheit bilden, deutet immer mehr darauf hin, dass der Abriss vom Tisch ist.

 

Zwar hat die CDU-Ratsfraktion, wie berichtet, die Grünen im Gemeinderat dazu aufgefordert, "mit ihrer Partei im Land nichts zu vereinbaren, was dem Aufstellungsbeschluss für den neuen Bebauungsplan am Karlsplatz widerspricht". Doch aus den Kreisen der neuen Regierungskoalition heißt es, man werde die Frage der Standorte der Ministerien in der Innenstadt sowie die Raumprobleme für die neu gewählten Abgeordneten alsbald noch einmal neu aufwerfen und beantworten.

Es gibt Alternativpläne

All diese Überlegungen stehen in Zusammenhang mit den Planungen des Kaufhauses Breuninger und des Landes - Stichwort: da Vinci -, das Quartier zwischen Karlsplatz und Marktplatz neu zu ordnen. Verschiedene Initiativen und Interessengruppen, die schon seit langem für den Erhalt des ehemaligen Hotels Silber kämpfen, das wiederum Teil dieses Quartiers ist, haben sich jetzt erneut zu Wort gemeldet. So fordert etwa Harald Stingele, der Sprecher der Initiative Gedenk- und Lernort Hotel Silber, den Gemeinderat dazu auf, "sich unter den veränderten politischen Rahmenbedingungen mit dem Neubauprojekt am Karlsplatz auseinanderzusetzen". Als neuer Finanzminister trage Nils Schmid (SPD), so sein Hinweis, "die direkte Verantwortung für das Gebäude".

Auch Roland Ostertag und Micha Brumlik, die erst kürzlich fünfzig prominente Künstler und Politiker in einer Unterschriftenaktion für den Erhalt des Hauses präsentiert haben, fordern jetzt den Gemeinderat auf, "das Bebauungsplanverfahren so lange auszusetzen, bis die sich aus dem Erhalt des Hotels Silber ergebenden Änderungen in das Verfahren eingearbeitet sind." Am weitesten geht die Grüne Jugend, die die neue Landesregierung aufgefordert hat, aus dem Bauprojekt " auszusteigen".

Während man bei Breuninger abwartet, was die Regierung am Karlsplatz konkret will, heißt es aus dem Rathaus: Wenn das Hotel Silber stehen bleibt, könnten dennoch zwischen 43.000 und 45.000 Quadratmeter Nutzfläche in den Neubauten verwirklicht werden. Das beauftragte Architekturbüro Behnisch verfüge seit einiger Zeit über entsprechende Alternativpläne.

Neues Buch über das Hearing

Dokumentation: Im Juli 2010 hatte Oberbürgermeister Wolfgang Schuster zwanzig Experten aus dem ganzen Bundesgebiet sowie 300 interessierte Bürger zu dem Hearing „Erinnerungsorte in Stuttgart – Über den Umgang mit der NS-Zeit“ eingeladen. Alle dabei gehaltenen Referate, in denen vielfältige Empfehlungen für den Umgang mit dem Hotel Silber gegeben wurden, liegen jetzt in einer bebilderten, 100 Seiten umfassenden Dokumentation vor.

Bezug: Das Buch gibt es kostenlos an der Information im Eingang des Rathauses oder im Internet.