Dicke Luft in der Koalition: Grüne und CDU ziehen im Umgang miteinander rote Linien. Ob Grün-Schwarz damit vorankommt?

Leinfelden-Echterdingen - Ganz so weit ist es mit Grün-Schwarz noch nicht, wie SPD-Landtagsfraktionschef Andreas Stoch dieser Tage wähnte: „Kretschmanns Traum von einem öko-konservativen Bündnis ist gescheitert – zunächst im Bund, jetzt auch im Land.“ Zwar wurde aus der von Baden-Württembergs Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann betriebenen Jamaika-Koalition auf Bundesebene tatsächlich nichts; die grün-schwarze Koalition im Land aber macht vorerst weiter, wenn auch ziemlich halblebig. Auf dem Landesparteitag der Grünen in Leinfelden-Echterdingen beschrieb Kretschmann schonungslos die Lage: Der Streit ums Landtagswahlrecht sei zu einer „ernsten Bedrohung für die Koalition“ ausgewachsen. Die Blockade durch die CDU-Fraktion komme einer „klaren Verletzung des Koalitionsvertrags“ gleich, „daran gibt es nichts zu deuteln“. Kompromisse seien nicht möglich gewesen. Auch Grünen-Landeschef Oliver Hildenbrand ging mit der Landtags-CDU harsch ins Gericht. Er warf ihr „Totalverweigerung auf der ganzen Linie“ vor. „Das geht gar nicht.“

 

Dass die Grünen im Landtag umgehend die CDU-Kandidatin für das Amt der Landtagsvizepräsidentin, Sabine Kurtz, durchrasseln ließen, überging Kretschmann vorsichtshalber. Lieber machte er sich über die „Schnapsidee“ lustig, die Teile der CDU-Landtagsfraktion umtreibt: den als übermächtig empfundenen Ministerpräsidenten mittels eines konstruktiven Misstrauensvotums zu stürzen und mit SPD und FDP eine so genannte Deutschlandkoalition (Schwarze, Rote und Gelbe) zu bilden. Er vergaß auch nicht den Hinweis, dass es SPD-Landeschefin Leni Breymaier gewesen war, die solche Überlegungen zuerst als „Schnapsidee“ abgetan hatte – zum Ärger von SPD-Fraktionschef Stoch, der sich um seinen Handlungsspielraum gebracht sah.

Konkurrierende Königshöfe in der CDU

Kretschmann ließ auf dem Parteitag aber auch keinen Zweifel daran, dass er Grün-Schwarz fortführen möchte. „Wir lassen uns durch Krisen nicht entmutigen“, sagte er. „Wir werden alles dafür tun, angeschlagenes Vertrauen wiederherzustellen.“ Was allerdings nicht einfach sein wird, wenn man Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz folgt. Die Zusammenarbeit mit der CDU-Fraktion gestalte sich als nicht ganz einfach. Wie das eben so sei, „wenn sich der Partner schon untereinander nicht einig ist – oder wenn gleich mehrere meinen, sie haben das Sagen“. Eine Anspielung auf die konkurrierenden Königshöfe in der CDU, wo Landesparteichef und Innenminister Thomas Strobl um die Vorherrschaft ringt mit Fraktionschef Wolfgang Reinhart, Justizminister Guido Wolf oder auch Agrarminister Peter Hauk.

Misstrauen hat sich in die Koalition geschlichen. Das gilt für die internen Beziehungen der Kleinkönige in der CDU, das gilt aber auch für das Verhältnis der beiden Koalitionspartner. CDU-Fraktionschef Reinhart mahnte etwa die Grünen, so etwas wie die Pleite bei der Wahl der Landtagsvizepräsidentin (Sabine Kurtz war dann im zweiten Anlauf gewählt worden) dürfe sich nicht wiederholen. Was so verstanden werden konnte, als ziehe Reinhart damit eine rote Linie, mit deren Überschreiten ein Koalitionswechsel gerechtfertigt wäre. Der Streit schadet beiden Regierungsparteien, allerdings dürfen die Grünen wohl zu Recht davon ausgehen, dass bei der CDU mehr hängen bleibt. Auch wenn ein Listenwahlrecht nicht automatisch bedeutet, dass mehr Frauen ins Parlament gelangten: Die Möglichkeit dazu wäre gegeben. Gegenwärtig sind Frauen im Landtag deutlich unterrepräsentiert, ihr Anteil an den Mandaten liegt bei einem Viertel, nur bei den Grünen ist er annähernd halbe-halbe. Im Koalitionsvertrag waren Parteilisten vereinbart gewesen, mit denen das hätte geändert werden können. „Die Verletzung des Koalitionsvertrags wird wie Pattex an der CDU kleben“, sagte Grünen-Fraktionschef Schwarz. Auf dem Parteitag musste aber auch Regierungschef Winfried Kretschmann Kritik einstecken. „Ich hätte mir von dir, lieber Winfried, ein Machtwort gewünscht“, kritisierte ein Delegierter Kretschmanns Agieren in der Wahlrechtsfrage. Denn der Ministerpräsident kann dem geltenden Wahlrecht durchaus Positives abgewinnen. In der Vergangenheit hatte er mitunter sinniert, mit seinen ökolibertären Ansichten hätte er es auf Parteitagen nie und nimmer auf einen aussichtsreichen Listenplatz geschafft. Einen Ministerpräsident Kretschmann hätte es folglich nie gegeben.

Um Europa ging es auf dem Landesparteitag übrigens auch. Die Grünen nominierten die Europaabgeordnete Maria Heubuch sowie den Stuttgarter Grünen Michael Bloss für die Bundesliste zur Europawahl 2019 vor, die im November in Leipzig aufgestellt wird.