Zur Halbzeit der Landesregierung demonstrieren Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und sein Vize Thomas Strobl (CDU) Einigkeit. Doch der Fall Freiburg zeigt: Die Differenzen gehen tiefer als gedacht.

Stuttgart - Angeblich läuft in der Landesregierung ja alles bestens. Besser jedenfalls als in der ungeliebten Berliner „Groko“. Dies zu beteuern werden Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und Innenminister Thomas Strobl (CDU) in diesen Tagen nicht müde, jetzt, wo sie auf diversen Veranstaltungen ihre Halbzeitbilanz darlegen. Hinter den Kulissen geht es weniger harmonisch zu. Streitgegenstand ist die Innere Sicherheit. Strobl legte jüngst eine Neufassung des Polizeigesetzes vor – mit neuen, weitreichenden Eingriffsrechten der Polizei in die Privatsphäre. Dabei hatte der Landtag erst vor einem Jahr mit Unterstützung der Grünen ein schärferes Polizeirecht beschlossen. Nur die umstrittene Onlinedurchsuchung wehrten die Grünen, die sich als Bürgerrechtspartei verstehen, dann doch ab. Jetzt kam Strobl wieder damit um die Ecke. Die Grünen reagierten genervt: Über diesen Gesetzentwurf, erklärte ihr Innenexperte Hans-Ulrich Sckerl jüngst, werde nicht verhandelt.

 

Strobl erkennt keine Fehler bei der Polizei

Strobls Kalamitäten in Freiburg verschafften den Grünen die Gelegenheit zum Gegenschlag. Nach der Vergewaltigung einer 18-jährigen Studentin durch eine ganze Gruppe von Männern stellte sich heraus, dass gegen den Haupttäter, einen Flüchtling aus Syrien, wegen anderer Delikte bereits ein Haftbefehl vorlag. Dass dieser nicht sofort vollstreckt wurde, mag Innenminister Strobl nicht der Polizei anlasten. „Bis zur Stunde kann ich nicht erkennen, dass hier Fehler gemacht wurden“, sagte er am Dienstag in der Regierungspressekonferenz. Grünen-Landeschef Oliver Hildenbrand hatte den Innenminister zuvor wegen der knapp 20 000 offenen Haftbefehle angegriffen, die allein für Baden-Württemberg vermeldet werden. Strobl entgegnete, dies sei ein Normalwert – auch im Vergleich mit anderen Ländern. Bei der Masse der offenen Haftbefehle handle es sich um Ersatzhaft für nicht bezahlte Geldstrafen. Genaueres konnte er dazu nicht sagen, er sicherte aber zu, die Sache zu klären. Etwas überraschend erteilte in derselben Pressekonferenz der um die Außenwirkung der Koalition besorgte Regierungschef Kretschmann seinem Parteichef Hildenbrand eine Rüge. Dieser möge Kritik bitte in den Gremien vortragen, nicht in der Öffentlichkeit. Er habe dies Hildenbrand in einem Telefonat gesagt.

Am Nachmittag wurde der Innenminister in der Grünen-Fraktion zur Berichterstattung erwartet. Er kam dann aber nicht, und als er hätte kommen können, ging es bei den Grünen nicht mehr. Nun soll Strobl an diesem Mittwoch bei den Grünen erscheinen. Grünen-Innenexperte Sckerl nutzte die Lücke, die Strobl ließ, um Aufklärung über die offenen Haftbefehle zu verlangen. Notfalls müsse die von Hildenbrand vorgeschlagene Task Force im Innenministerium eingerichtet werden. Und über eine weitere Polizeigesetznovelle würden die Grünen nur reden, wenn Strobl seinen Entwurf deutlich entschärfe. „Wir werden jetzt nicht über Dinge verhandeln, die wir gerade noch abgelehnt haben“, sagt Sckerl. Die von Strobl geforderte präventive Onlinedurchsuchung von Computern werde es mit den Grünen nicht geben.