Unter Grün-Rot war der freiwillige Polizeidienst ein Auslaufmodell. Doch die grün-schwarze Nachfolgeregierung will die ehrenamtlichen Ordnungshüter sogar aufwerten.

Stuttgart - Blaue Uniform, Mütze, Dienstwaffe – auf den ersten Blick sind Polizeifreiwillige nicht von ihren professionellen Kollegen zu unterscheiden. Nur die Schulterklappen mit Balken anstatt Sternen verraten, dass man es mit einem der derzeit 744 ehrenamtlichen Ordnungshütern im Land zu tun hat. Zwar ist die Ausbildung der Amateure, die ihre hauptamtlichen Kollegen vor allem an Wochenenden unterstützen, auf wenige Wochen Theorie und Praxis beschränkt. Doch das ist für die neue Koalition kein Grund, diese Dienste zu verschmähen. Im Gegenteil: Im Unterschied zur Vorgängerregierung will Grün-Schwarz den freiwilligen Polizeidienst aufwerten.

 

Da sichtbare Polizeipräsenz im öffentlichen Raum das Sicherheitsgefühl der Bürger stärke, seien Polizeifreiwillige mit ihren Kompetenzen aus dem zivilen Leben „eine unschätzbare Ergänzung der Arbeit der professionellen Polizei“, heißt es dazu im Koalitionsvertrag. Und weiter: „Wir wollen deshalb im Rahmen eines Gesamtkonzepts für sichere öffentliche Räume eine neue Grundlage für den Einsatz von Polizeifreiwilligen schaffen.“ Bis dahin werde der bestehende Dienst auf bisherigem Stand fortgeführt. Er trage auch „maßgeblich zur Transparenz polizeilichen Handelns in der Bevölkerung bei“, lautet ein weiteres Argument. Die Landesregierung vollzieht damit eine Kehrtwende, denn Grün-Rot hatte diese Einrichtung unter dem Druck der SPD als Auslaufmodell gesehen.

Entsprechend ungehalten reagiert die Gewerkschaft der Polizei (GdP) auf die Pläne. „Polizeifreiwillige sind uns keine echte Hilfe“, sagte der GdP-Landesvorsitzende Rüdiger Seidenspinner unserer Zeitung. Im Streifendienst komme die Polizei schnell in Situationen, in denen eine Schnellbleiche für diesen Beruf nicht ausreiche. Als Beispiel führt der Gewerkschafter den jüngsten Fall aus Filderstadt an, wo ein Beamter den Messerangriff eines Mannes mit zwei Schüssen abgewehrt hat – woraufhin der Angreifer starb. „Stellen Sie sich diese enorme Belastung für einen Freiwilligen vor“, so Seidenspinner. Er hält diesen Kurs für eine „Schaufensterlösung“, um möglichst preiswert mehr Sicherheit vorzugaukeln – laut Innenministerium erhält ein Polizeifreiwilliger sieben Euro pro Einsatz und eine Aufwandsentschädigung von sieben Euro für die ehrenamtliche Tätigkeit. Besser als Hilfspolizisten wären nach Ansicht des Gewerkschaftschefs zusätzliche Tarifbeschäftigte für die Polizeiverwaltung, um die Beamten zu entlasten.

Wertvolle Hilfe für die Profis

Bei der Gewerkschaftskonkurrenz sieht man das allerdings anders. „Wir können auf Polizeifreiwillige nicht verzichten“, sagt Ralf Kusterer, der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft im Deutschen Beamtenbund (DPolG). Die Polizei sei momentan am unteren Ende ihrer Kräfte. Wer behaupte, man könne auf ehrenamtliche Hilfe verzichten, müsse für Ersatz sorgen, so der Vorsitzende der 16 000 Mitglieder starken Organisation. Allein um die altersbedingten Abgänge zu ersetzen, seien mehrere tausend Neueinstellungen notwendig. Auch die Qualifikation der Hilfspolizei beurteilt Kusterer keineswegs so negativ wie sein Kollege Seidenspinner: „Das sind doch alles hoch qualifizierte Bürger, warum kann ich die nicht bei Verkehrskontrollen einsetzen?“ Zwar könnten sie die Profis nicht ersetzen, diesen aber doch eine wertvolle Hilfe bieten.

Wie die von Grün-Schwarz angestrebte Weiterentwicklung des freiwilligen Polizeidienstes genau aussieht, ist derzeit aber noch offen. Das Konzept stehe noch nicht fest, heißt es im Innenministerium. Schon jetzt ist aber klar, dass es künftig eher mehr als weniger Polizeihelfer gibt.