Offiziell sind 1000 Meter Abstand zwischen Windkraftrotoren und Wohnhäusern die Ausnahme. Landesforstminister Peter Hauk macht sie jetzt im Staatswald zur Regel – und empört damit die Grünen. Deren Fraktionschef ermahnt den Minister.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - In der grün-schwarzen Koalition bahnt sich ein offen ausgetragener Streit um den Ausbau der Windkraft an. Agrarminister Peter Hauk (CDU) geht in der Frage, wie groß bei neuen Anlagen der Abstand zu Wohngebieten sein soll, auf Konfrontationskurs zu seinem Umweltkollegen Franz Untersteller (Grüne). In einem Rundschreiben seines Ressorts ließ Hauk Städte und Gemeinden jetzt darüber informieren, dass im Staatswald künftig nur noch Standorte zur Verfügung gestellt werden, die mindestens 1000 Meter von den nächsten Wohnhäusern entfernt sind; Gleiches empfiehlt er den Kommunen, die Wald besitzen.

 

Untersteller hatte erst kürzlich per Rundbrief klargestellt, dass weiterhin der Mindestabstand von 700 Metern gelte und eine Ausweitung auf 1000 Meter rechtlich gut begründet sein müsse. Sein Sprecher zeigte sich irritiert und verärgert über das Vorgehen von Hauk. Auf Betreiben der Grünen soll sich an diesem Dienstag der Koalitionsausschuss mit dem Konflikt befassen. Während der Umweltminister auf das Planungsrecht verweist, das zwischen den Koalitionspartnern nicht umstritten ist, pocht der Agrarressortchef auf das Privatrecht. Jeder Eigentümer kann danach selbst entscheiden, ob und wofür er seine Grundstücke zur Verfügung stellt. Laut dem vom Landesforstpräsidenten Max Reger unterzeichneten Rundschreiben hat der Landesbetrieb Forst jetzt festgelegt, „Waldstandorte im Landesbesitz, die näher als 1000 Meter zur nächsten Wohnbebauung liegen, in Zukunft nicht mehr als Windkraftstandorte zu vermarkten“. Dies werde man „bei zukünftigen Verpachtungen und Vertragsabschlüssen zugrunde legen“. Den Kommunen mit Waldbesitz wird das gleiche Vorgehen empfohlen.

Forstchef verweist auf Liebe zum Wald

Für den Ausbau der Windkraft könnte die Maßgabe gravierende Folgen haben, da ein höherer Abstand die infrage kommenden Standorte stark einschränkt. Hauk hatte erst kürzlich darauf verwiesen, dass drei Viertel der im Vorjahr neu entstandenen Anlagen im Wald lägen – davon der Großteil im Staatswald. Sein Forstpräsident Reger verweist ebenso auf „erhebliche Beiträge“, die der Landesbetrieb Forst in den vergangenen Jahren geleistet habe: „Für mehr als 65 Standorte wurden Gestattungsverträge mit zuverlässigen Projektierern abgeschlossen, für mehr als 200 Windkraftanlagen konnte damit die Grundlage geschaffen werden, die notwendigen planerischen Schritte aufzunehmen.“

Nun aber treten der Agrarminister und seine Forstverwaltung auf die Bremse. Sie berufen sich auf den Koalitionsvertrag, nach dem der weitere Ausbau der Windkraft „mit möglichst geringen Folgen für Mensch, Natur und Landschaft“ einhergehen solle. Dies sei für die Akzeptanz der Energiewende wichtig. Vor Ort seien Standorte „nicht selten höchst umstritten“. „Gerade die Inanspruchnahme von Wald, zu dem viele Menschen erfreulicherweise ein überaus sensibles und emotionales Verhältnis haben, ruft immer wieder auch kritische, ablehnende Stimmen gegen einzelne Standorte hervor“, schreibt Hauks Forstchef Reger.

Hauk: ich bin kein großer Windkraft-Fan

Grundsätzlich bekennt er sich zur Windkraft, die dank ihrer Vorteile bei der Energiewende eine „tragende Rolle“ spielen werde. Hauk hatte hingegen unlängst die Nachteile der Windenergie herausgestrichen, die „nicht grundlastfähig, nicht speicherbar und nicht steuerbar“ sei. „Angesichts ihrer geringen Effizienz bin ich nicht der größte Befürworter der Windkraft“, sagte er der „Rhein-Neckar-Zeitung“. Der von ihm verfügte Mindestabstand im Staatswald von 1000 Metern diene „der Befriedung der Bevölkerung“. Schließlich stammten die 700 Meter „aus einer Zeit, in der die Windräder 50 Meter hoch waren – heute sind es 200“. Deshalb sei der Abstand nicht mehr zeitgemäß.

Nicht nur dieser Feststellung widerspricht das Umweltministerium des Grünen Untersteller: Zum Zeitpunkt der Regelung seien die Rotoren schon deutlich höher als 50 Meter gewesen. Überhaupt liege die Zuständigkeit beim Umwelt- und nicht beim Agrarressort. Schon bisher hätten Kommunen von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, 1000 Meter Abstand zu halten, sagte ein Sprecher. Daher würden sie „eine generelle Vorgabe für den Staatsforst sicher nicht benötigen“. Dies alles werde man Hauk erläutern, hieß es intern.

Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz übte am Sonntag scharfe Kritik an Hauk. Mit dessen Schreiben sei „niemandem geholfen“, der Verweis auf das Privatrecht sei „wenig konstruktiv“. Man solle das Thema im Koalitionsausschuss mit einer „konstruktiven Haltung“ erörtern, mahnte Schwarz gegenüber dieser Zeitung.