CDU-Politiker Thomas Strobl trotzt dem Grünen-Koalitionspartner eine leichte Verschärfung der Paragrafen ab. Gleichzeitig behält er gegen Kritiker in den eigenen Reihen die Oberhand.

Stuttgart - Baden-Württembergs Polizei erhält zusätzliche Rechte zur Verbrechensbekämpfung. Nach mehr als einem Jahr zäher Verhandlungen einigten sich die Spitzenvertreter von Grünen und CDU am Donnerstagabend auf eine Reform des Polizeigesetzes – die zweite Reform in dieser Wahlperiode. Sie erlaubt Polizisten, ihre Körperkameras auch in Wohnungen und Geschäftsräumen einzuschalten. Darüber hinaus dürfen Polizisten künftig die Identität von Personen bei Großveranstaltungen wie etwa Fußballspielen feststellen, wenn diese ein besonderes Gefährdungsrisiko aufweisen.

 

Innenminister Thomas Strobl hat damit den Grünen deutlich weniger Zugeständnisse abgerungen, als er noch vor einem Jahr gefordert hatte. So wehrt sich der Koalitionspartner vehement dagegen, dass die Polizei Festplatten mittels Trojaner durchsucht oder Menschen, die sie als Gefährder einstuft, eine Zeit lang in Gewahrsam nehmen darf. Dennoch erreicht er mehr, als die Grünen anfangs zugestehen wollten. Strobl hat gleichzeitig die eigene CDU-Fraktion hinter sich gebracht, in der es bis zuletzt weiter gehende Vorstellungen für die Reform gegeben hatte. Die Details sollen zwar erst auf der Fraktionsklausur zu Jahresbeginn in Paragrafenform gegossen werden, doch in den Grundlinien sei „ein Stück Weihnachtsfrieden“ erreicht, wie Fraktionschef Wolfgang Reinhart sagte. „Wir hätten gern weitere Befugnisse für die Polizei gehabt, aber immerhin geht das Erreichte klar über die Koalitionsvereinbarung hinaus“, sagte Reinhart unserer Zeitung. Im Moment sei leider keine weiter gehende Einigung mit dem Koalitionspartner möglich.

Grüne: Eine maßvolle Reform

Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz nannte die Reform „maßvoll“ und „eine gute Balance zwischen Freiheit und Sicherheit“. Die Grünen haben der CDU gewisse Zugeständnisse beim Thema Bleiberecht abgetrotzt. „Wir haben uns darauf verständigt, dass wir vorhandenen Ermessensspielräume nutzen und mit einer Bundesratsinitiative gemeinsam mit anderen Ländern nochmals einen Vorstoß zur Verbesserung der Bleiberechtsperspektive von Geflüchteten in Ausbildung und Beschäftigung angehen werden“, sagte Schwarz. Das sei ein wichtiges Signal auch an alle Unternehmen, die sich bei der Integration und Ausbildung junger Geflüchteter engagieren. Bei Abschiebungen gibt es die Zusicherung Strobls, bei der zuständigen Behörde darauf zu dringen, dass sie die Fälle stärker sortiert: Straftäter und Gefährder sollen vorgezogen werden. Dies sei aber kein Spurwechsel, sagte Strobl.

Das Tauziehen hatte zuletzt das ohnehin angespannte Verhältnis zwischen dem Innenminister und der CDU-Spitzenkandidatin Susanne Eisenmann weiter belastet. Diese versucht sich gegenwärtig thematisch breiter aufzustellen und besetzt dabei auch das Feld der inneren Sicherheit. Auf Strobls Kosten wollte sie dies im aktuellen Fall jedoch nicht tun. Dies hätte bedeutet, dass die Reform des Polizeigesetzes vollständig abgeblasen wird, was ein gewaltiger Ansehensverlust für den Innenminister gewesen wäre. Auch Reinhart lenkte ein.

Streit über Landarztquote hält an

Noch keine Einigung fand der Koalitionsausschuss bei den übrigen grün-schwarzen Streitthemen. So fordert die CDU das Instrument einer Landarztquote bei der Vergabe von Medizinstudienplätzen, um den Hausärztemangel abzumildern. Die Grünen schlagen hingegen vor, die Zahl der Studienplätze für Humanmedizin um 150 zu erhöhen. Als Kompromissvorschlag liegt auf dem Tisch, Studenten, die sich als künftiger Landarzt verpflichten, ein Stipendium zu gewähren. Reinhart sagte, darüber gebe es weiterhin Abstimmungsbedarf.

Strittig ist auch die Forderung der CDU, einen sogenannten Flächenfaktor bei den finanziellen Zuweisungen des Landes an die Kommunen einzuführen. Das Argument lautet, dass ländliche Gemeinden mit großer Fläche und wenigen Einwohnern bei der aktuell an der Einwohnerzahl ausgerichteten Finanzierung schlecht wegkommen. Dabei trügen sie höhere Infrastrukturlasten. Eine kleine Runde um Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Kultusministerin Eisenmann soll an diesem Freitag erneut nach einer Lösung suchen.