Null Punkte, null Tore: Die Bilanz des VfB Stuttgart ist nach der Niederlage gegen den FC Bayern München ernüchternd. Der Ton wird rauer in Cannstatt. Vor allem die Taktik des Trainers wird kritisiert. Auch Manager Michael Reschke fordert eine Weiterentwicklung – nimmt Tayfun Korkut aber in Schutz.

Sport: Heiko Hinrichsen (hh)

Stuttgart - Der VfB hat mit 0:3 gegen den FC Bayern verloren, was die Fans weniger schmerzt als die Art und Weise, wie die Niederlage zustande kam. So ließ der Trainer Tayfun Korkut seine Elf mit einer destruktiv-defensiven Taktik auflaufen, mit der man laut Rekordnationalspieler Lothar Matthäus „absolut keine Chance hat, gegen die Bayern was zu holen“. Auch die Bundesliga-Tabelle ist aus Stuttgarter Sicht zum Haareraufen: Null Punkte und null Tore stehen dort für den VfB zu Buche. Doch Mario Gomez sagt trotz ausgebremster Euphorie: „Jetzt kommen die Gegner, mit denen wir uns messen können.“

 

Der Trainer

Die Kritik an der taktischen Herangehensweise des Tayfun Korkut kam vom Rekordnationalspieler persönlich. „Klar ist es gegen die Bayern schwer – doch eine Chance hat man immer“, sagte Lothar Matthäus, der als TV-Experte das 0:3 des VfB gegen den deutschen Meister im Stadion miterlebt hatte. „Doch wenn man so spielt wie der VfB, dann hat man absolut keine Chance.“

So entzündete sich nicht nur die Schelte des ehemaligen Münchners an der äußerst defensiven Spielweise des Trainers Tayfun Korkut. „Das war mutlos“, sagte Matthäus. Der VfB war offenbar auf Konter aus gewesen – doch dafür fehlten mit Ausnahme des schnellen Anastasios Donis die Spieler. Was also war Korkuts Spielidee? 30 Minuten lang standen die Stuttgarter immerhin in der Defensive stabil. Doch wenn etwa der kleine Kraftwürfel und Defensivexperte Santiago Ascacibar, der sich bei den Stuttgartern die Bestnote verdiente, zur auffälligsten Offensivkraft avanciert, dann stimmt an der Systematik etwas nicht.

„Gegen so einen Gegner braucht man das fast perfekte Spiel. Es ist uns nicht gelungen, Druck aufzubauen“, sagte Korkut, dem allerdings die Bilanz von null Punkten und null Toren nach drei Pflichtspielen garniert von null Schüssen aufs Tor und null Eckbällen bei null Gelben Karten (Stichwort Aggressivität) gegen die Bayern zu denken geben dürfte.

Der Manager

„Tayfun Korkut hat einen klaren Plan, eine klare Strategie und viel Realitätssinn“, sagte Michael Reschke, der nach zwei Bundesligapartien, „darunter ein schweres Auswärtsspiel in Mainz sowie das Jokerspiel gegen Bayern München, in dem es in aller Regel nicht viel zu holen gibt“, Kritik an seinem Cheftrainer im Keim erstickt. Doch der VfB-Manager forderte auch: „Wir müssen alle eine Schippe drauflegen“ – und schließt hier den Trainer, der bei der Auswechslung von Anastasios Donis zum ersten Mal überhaupt Pfiffe vom eigenen Publikum zu hören bekam, explizit mit ein.

Unbestritten ist, dass Reschke („Das war heute definitiv zu wenig“) seinem Chefcoach einen Kader zusammengestellt hat, der spielerisch mehr hergibt als im Vorjahr. Dass Korkut weiß, wie man aus einer stabilen defensiven Grundordnung heraus zum Erfolg kommt, das hat er in der abgelaufenen Rückrunde glänzend unter Beweis gestellt. Doch nun wird eine Weiterentwicklung erwartet. Bisher hat der Trainer allerdings trotz einer langen Vorbereitung ohne große Verletzungssorgen nicht die richtige Mischung gefunden. Gerade die kreative Abteilung lahmt. Daniel Didavi und Erik Thommy, aber auch Christian Gentner und Mario Gomez sind noch nicht auf Touren gekommen. „Tayfun Korkut wird an der Offensive arbeiten“, sagte Reschke. „Dass wir ein heftiges Programm zum Saisonstart haben, das ist mir aber schon lange klar.“

Die Spieler

„Wir sind nicht in die Zweikämpfe gekommen, hatten einen schlechten Tag und die Bayern einen sehr guten – dann kommt so ein Spiel heraus“, resümierte der Torhüter Ron-Robert Zieler, der immerhin drei, vier Glanzparaden zur Partie beisteuern konnte. Es läuft spielerisch wenig zusammen – und so stellt der VfB die einzige Profimannschaft in der ersten bis dritten Liga, der noch kein Pflichtspieltor gelungen ist. Das geht auch an den Stuttgarter Profis nicht spurlos vorüber. So hatte Mario Gomez bereits vor dem Bayern-Spiel ausgemacht, dass die Mannschaft „mental angeknackst“ sei.

Die Niederlage gegen seinen Ex-Club dürfe man nun aber nicht überbewerten. „Wir dürfen uns jetzt nichts einreden lassen. Das wäre das Schlimmste, was es gibt“, warnte Gomez, der mit dem VfB nach der Länderspielpause am Sonntag, 16. September (18 Uhr), beim SC Freiburg antritt, ehe Fortuna Düsseldorf in Stuttgart gastiert. „Diese Mannschaft hat in der letzten Rückrunde sensationell gut gespielt“, ergänzte Gomez. „Wir haben vielleicht die ersten zwei Spiele zu wenig gemacht, weil wir dachten, es geht so weiter. Jetzt kommen die Mannschaften, mit denen wir uns in der Liga messen können.“ Und der Torhüter Zieler ergänzte: „Wir müssen uns erst wieder an das Niveau heranarbeiten, auf dem wir in der Vorsaison gespielt haben.“

Die Fans

Vor dem Anpfiff des ersten Saison-Heimspiels der Stuttgarter demonstrierten die Fans mittels ihrer „Karawane Cannstatt“, dem gemeinsamen Marsch von diesmal rund 2500 VfB-Anhängern zum Stadion, auf beeindruckende Weise, was einen Traditionsverein ausmacht. Die Fußballgemeinde im Zeichen des roten Brustrings zeigte Geschlossenheit und Vorfreude auf die noch junge Saison. Doch von der kollektiven Feierstimmung und der anfänglichen Euphorie auf den Rängen der mit 58 560 Fans ausverkauften Mercedes-Benz-Arena blieb schnell nichts mehr übrig. „Das Beste am Spiel ist noch das Ergebnis“, lautete der ketzerische Kommentar eines VfB-Anhängers. Man darf gegen die Bayern auch 0:3 verlieren, aber bitte schön nicht so defensiv-destruktiv, das war zumindest die vorherrschende Meinung beim zahlenden Publikum. Die große Euphorie des Stuttgarter Umfelds vor Saisonstart angesichts einer starken Vorbereitung und vielversprechender Transfers ist auf jeden Fall nach gerade mal 270 Pflichtspielminuten der neuen Saison erst mal dahin.