Mit Accelerate Stuttgart hat Johannes Ellenberg einen der ersten Anlaufpunkte für eine neue Innovationskultur geschaffen – doch in der regionalen Innovationswelt geben nun etablierte Firmen den Ton an.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Stuttgart - nur an einer Glastüre zu einem Einzelbüro hängt es noch, das Logo von Accelerate Stuttgart. Ansonsten ist der Pionier-Ort der Stuttgarter Start-up-Szene nicht mehr wiederzuerkennen. Der neue Mieter Certeo, eine auf den Onlinehandel spezialisierte Tochter des Stuttgarter Spezialversenders Takkt, hat die Räumlichkeiten voll in Beschlag genommen. Die Ironie dabei: Mit all den Sperrholzmöbeln, Sitzkissen und Motivationsslogans an den Wänden sieht es hier start-up-mäßiger aus denn je.

 

Johannes Ellenberg, der Accelerate Stuttgart 2012 gründete und der im Herbst 2015 die jetzt so gründlich umgekrempelten Accelerate Spaces am Feuersee in Stuttgart bezogen hat, orientiert sich neu. In den wenigen Jahren seines Bestehens hat das Projekt schon eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Gestartet ist es als ein kommerzieller Accelerator, der Start-up-Ideen in einem sechsmonatigen Programm zur Geschäftsreife bringen wollte. Zusätzlich wollte man mit seinen Veranstaltungen und den Accelerate Spaces genannten Räumlichkeiten zur Keimzelle der Stuttgarter Start-up-Kultur werden.

Das eigentliche Acceleratoren-Programm hob nicht ab

Doch schon nach der ersten Runde merkte man, dass für ein kreatives, auch ein Stück ideelles Acceleratoren-Programm, das privatwirtschaftlich auf eigenen Füßen steht, in Stuttgart die Grundlagen fehlen. Zwar zündeten die Start-up-Veranstaltungen. Der Saal im Herzen der Accelerate Spaces platzte immer öfter aus allen Nähten. Doch als der Münchner und Berliner Start-up-Berater Etventure ein Stuttgarter Standbein suchte und die Übernahme von Accelerate Stuttgart anbot, griff Ellenberg im Sommer 2016 zu. Doch auch diese Konstruktion ist schon wieder Geschichte: Vor einigen Wochen hat die etablierte Beratungsfirma EY ihrerseits Etventure übernommen. Das Geschäft mit der Start-up-Kultur ist sozusagen im Beratungs-Establishment angekommen. Dies war für Ellenberg der Moment, sich wieder neu zu orientieren. „Als Accelerate unter das Dach von Etventure zu gehen, war schon ein echter Schritt. Aber nun unter noch ein weiteres Dach zu schlüpfen, das war für mich eine Stufe zu viel“, sagt er.

Ellenberg hat Accelerate Stuttgart zurückgekauft

Ellenberg hat seine an Etventure abgegebenen Anteile inzwischen wieder zurückgekauft. Veranstaltungsmanagement und Innovationsberatung sind nun die neuen Standbeine für die geschrumpfte Firma Accelerate Stuttgart. Und dafür gibt es auch eine große Nachfrage. Denn die Start-up-Kultur in Stuttgart hat sich enorm entwickelt – aber in eine etwas andere Richtung als es Ellenberg vorhersah.

„Die etablierten Firmen spielen hier eine sehr große Rolle“, sagt er. Das Gute: Die Offenheit gegenüber einer anderen Innovationskultur und gegenüber Start-ups sei enorm gewachsen. Der Nachteil: „Die Firmen wollen das Heft in der Hand haben.“ Start-up-Kooperationen sind en vogue – aber es ist eine Start-up-Kultur, die sich stark an den Bedürfnissen der bestehenden Wirtschaft ausrichtet.

Startup-Räume in Stuttgart gibt es heute viele

Dass mit Certeo nun ein Firmenableger das einstige Begegnungszentrum für Start-ups übernommen hat, ist also höchst symbolisch. „Räumlichkeiten wie die Accelerate Spaces zu haben, ist inzwischen in Stuttgart aber nicht mehr so essenziell“, sagt Ellenberg. Wo Accelerate Stuttgart dauerhaft seine Heimstatt findet, ist noch offen.

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