Mit einer bundesweiten Bustour will in dieser Woche eine Truppe aus Gründern, Gründungsexperten und Unternehmensvertretern den Start-up-Standort Baden-Württemberg bekannter machen. Der leidet beim Image bisher unter seiner Dezentralität.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Köln - In gelben Lettern steht ganz twittergerecht komprimiert „Bawükommt“ auf dem schwarzen Bus. Dass der Bindestrich darin fehlt, ist Programm. Fünf Tage lang reist in dieser Woche eine bunt gemischte Delegation aus Badenern und Württembergern; aus jungen, internetaffinen Start-ups, gestandenen Gründerförderern und Vertretern etablierter Unternehmen durch die Gründermetropolen der Republik. Es geht nicht nur um neue Kontakte, sondern auch darum, den Gründerstandort Baden-Württemberg besser als bisher im Bewusstsein zu verankern.

 

Die vom Bundesverband Deutsche Start-ups organisierte und unter anderem vom Wirtschaftsministerium des Landes gesponserte Tour ist eine Premiere. Schon beim ersten Stopp in Köln wurde deutlich, dass der Südwesten an seinem Gründermarketing kräftig feilen muss: „Wenn Sie in Köln einen Gründer nach den Start-up-Standorten Stuttgart oder Karlsruhe fragen, dann schaut der Sie nur an und sagt: Upps?“, so drückte Lorenz Gräf, Geschäftsführer des privaten Start-up-Inkubators „Startplatz“, das rheinisch-direkt aus. Von Köln aus blicke man nach Berlin und Hamburg. Den Südwesten habe man nicht auf dem Schirm. Berlin und Hamburg sind auch weitere Etappen auf der Start-up-Expedition aus dem Land, die zuletzt noch einen Abstecher nach München macht.

Für die bundesweite Szene ist das Land ein weißer Fleck

Dass Baden-Württemberg für die übrige deutsche Start-up-Szene ein weißer Fleck ist, hat allerdings nichts mit einem Mangel an Gründern zu tun. In dem in dieser Woche veröffentlichten Deutschen Start-up-Monitor schnitten Karlsruhe und Stuttgart gut ab, wenngleich das Land mit einem Anteil von acht Prozent an den deutschen Start-up-Gründungen unterhalb seines wirtschaftlichen Gewichts bleibt.

Die fehlende Außenwahrnehmung liegt eher an südwestdeutschen Eigenheiten: Karlsruhe und Stuttgart sind zwei quasi gleichberechtigte, sich gelegentlich eifersüchtig beäugende Standorte. Wenn man die Region Rhein-Neckar und die Universitätsstädte hinzuzählt, dann entspricht die Gründerlandschaft des 21. Jahrhunderts noch ein wenig dem politischen Flickenteppich der Region im 19. Jahrhundert. Baden-Württemberg ist gepflastert mit Gründerzentren – doch auch die führen bei Organisation, Finanzierung und Philosophie ein starkes Eigenleben. „Wenn sie zehn Gründerzentren haben, dann haben sie zwölf Methoden wie man das angeht“, sagt Ulrike Hudelmaier, Geschäftsführerin des Gründer- und Technologiezentrums Ulm.

Aber auch die junge, digital orientierte Gründerszene hat die Schwächen einer dezentralen Graswurzelbewegung. Es gibt die unterschiedlichsten Vereine, Gruppen und Initiativen. Die Vertreter der unterschiedlichen Gruppen laufen sich bei ihrer Lobbyarbeit zwar ständig über den Weg – aber eine gemeinsame Stimme muss selbst in Stuttgart erst noch gefunden werden. „Ehrlich gesagt, ich kann nicht sagen, was in Mannheim gerade in der Szene läuft“, sagt Kai Blisch, Vorstand bei Start-up Stuttgart, einem weniger als ein Jahr alten Verein, der sich zum Ziel gesetzt hat, die Interessen von Gründern in der Stadt zu bündeln. Die Premierenfahrt im Bus ist deshalb mindestens so sehr nach innen wie nach außen gerichtet: Auf dem mehrtägigen Trip quer durch Deutschland soll sich auch ein Wir-Gefühl etablieren.

Stolz auf mehr als 150 Jahre Innovationskraft

Christine Wienhold vom Innovationsmanagement des Energiekonzerns EnBW, der systematisch in der baden-württembergischen Gründerszene nach potenziellen Partnern sucht, fehlt bisher der Überblick: „Man muss in die einzelnen Regionen fahren und direkt mit den Leuten reden“, sagt sie. Zu entdecken gebe es einiges, ergänzt die langjährige Ulmer Praktikerin Hudelmaier: „Wir haben keinen Grund, unser Licht unter den Scheffel zu stellen.“ Sie blickt ein wenig skeptisch auf das im Trend liegende amerikanisierte Start-up-Vokabular. Der Mittelstand im Land beruhe auf nichts anderem als einer mehr als 150 Jahre alten dynamischen Innovationskultur. „Sie müssen die Sprache ihrer Kunden sprechen – und die sprechen bei uns nun mal deutsch“, so Hudelmaier. Trotzdem hätten moderne Start-ups andere Gesetze, sagt Alexander Fauck, Geschäftsführer des IHK-Technologiezentrums Karlsruhe: „Das Tempo ist heute höher und sie müssen viel aktiver Gründer miteinander vernetzen.“

In Köln blieb den Baden-Württembergern der Trost, dass auch in Nordrhein-Westfalen die Kooperation nicht einfach ist. Man habe einen zweiten Standort im vierzig Kilometer entfernten Düsseldorf eröffnen müssen, sagte Startplatz-Betreiber Gräf: „Ein Düsseldorfer würde nie zum Gründen nach Köln kommen.“