Eine rätselhafte Mitgliederschwemme hat die Kandidatenkür für die Landtagswahl bei den Göppinger Grünen überschattet. Jetzt soll ein Landesschiedsgericht den Fall aufklären. Denn der Amtsinhaber Jörg Fritz fühlt sich benachteiligt.
Göppingen - Die verpatzte Kandidatenkür der Grünen im Kreis Göppingen für die Landtagswahl im kommenden Jahr beschäftigt jetzt auch die Landespartei. Der amtierende Landtagsabgeordnete Jörg Fritz hat das Landesschiedsgericht angerufen. „Wir müssen den Ausgang dieses Verfahrens abwarten“, sagte der stellvertretende Kreisvorsitzende Walter Kißling nach einer Vorstandssitzung. Damit dürfte sich die Hängepartie weiter hinziehen.
Vorstand will zurück auf Start
Bei der Wahlkreisversammlung am 17. Juni war es nach zwei Wahlgängen zu einer Stichwahl zwischen Fritz und der Eislinger Stadträtin Ulrike Haas gekommen. Sie endete mit einem Patt. Daraufhin entschied sich der Sitzungsleiter Hans Zeeb sowohl gegen eine weitere Stichwahl als auch gegen einen laut Satzung möglichen Losentscheid. Stattdessen vertagte er die Versammlung. Der Kreisvorstand möchte nun noch einmal von vorne mit der Kandidatenkür beginnen. Das hieße, dass auch Alexander Maier wieder im Rennen wäre, der im ersten Wahlgang nur eine Stimme hinter Haas auf Platz drei gelegen hatte.
Bei dem Verfahren vor dem Schiedsgericht geht es nun nicht nur um dieses Prozedere. Vielmehr soll sich die Parteijustiz auch mit dem starken Mitgliederzuwachs im Vorfeld der Kandidatenkür auseinander setzen. Bei zwei Sitzungen am 9. und 10. Juni hatte der Kreisvorstand auf einen Schlag 35 neue Mitgliedsanträge akzeptiert, was für die kleine Partei einen Zuwachs von fast einem Drittel bedeutete. 20 hatte Fritz gesammelt und am 8. Juni bei der Kreisgeschäftsstelle abgegeben, am Tag darauf folgte Haas, die selbst Vorstandsmitglied ist, mit elf Anträgen.
Zufall oder böser Wille?
Der Vorgang taugt für Verschwörungstheorien: War Haas von ihren Vorstandskollegen gewarnt und über die hohe Zahl an eintrittswilligen Fritz-Anhängern informiert worden? „Ich möchte mich nicht äußern“, sagt Fritz und verweist auf das schwebende Verfahren. Doch offenbar hält er das Vorgehen für unlauter. Dabei spielt ein Schreiben des Vorstands eine Rolle, das den Kandidaten im Vorfeld der Wahl die Spielregeln erläutert hatte. Demnach hätten Anträge von Neumitgliedern bis zum 8. Juni, 18 Uhr, bei der Kreisgeschäftsstelle vorzuliegen. Nur dann könne der Kreisvorstand in der folgenden Sitzung der beschleunigten Aufnahme zustimmen. Andernfalls werde eine Mitgliedschaft erst nach einer Frist von vier Wochen wirksam – zu spät für die Wahlkreiskonferenz.
Hätte der Vorstand die Anträge aus dem Haas-Lager also gar nicht mehr berücksichtigen dürfen? „Das ist eine Beurteilungsfrage“, räumt der stellvertretende Kreisvorsitzende Kißling ein. Viel spricht dafür, dass die Fristverlängerung nicht böser Wille, sondern Zufall war und nur damit zusammenhing, dass die Vorstandssitzung aus anderen Gründen einen Tag später als geplant stattfand. Der Landesgeschäftsführer Matthias Gauger sieht die Sache jedenfalls gelassen. „Der Kreisvorstand hat transparent und sauber gearbeitet.“
Und die nächste Welle rauscht heran
Auf den Kreisvorstand kommen dennoch neue Probleme zu. Eigentlich hatte er am 17. Juni angekündigt, die missglückte Wahl innerhalb eines Monats zu wiederholen. Dadurch und durch den erklärten Verzicht auf beschleunigte Neuaufnahmen sollte verhindert werden, dass sich der fragwürdige Anwerbe-Wettlauf fortsetzt. Durch die Einschaltung des Schiedsgerichts ist jedoch unklar, wann erneut zur Tat geschritten werden kann. Im Hintergrund sollen bereits neue Anwerbeaktivitäten angelaufen sein. Denn nach vier Wochen ist jeder ein Vollmitglied.