Immer wieder schockieren Berichte über die Zustände auf den WM-Baustellen in Katar. Nun hat sich Vizekanzler Gabriel selbst ein Bild gemacht. Sein angeblicher Kuschelkurs gegenüber dem Emirat verärgert die Opposition.

Doha - Vizekanzler Sigmar Gabriel hat bessere Arbeitsbedingungen auf den Baustellen für die Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in Katar gefordert. Zugleich sprach er sich für einen fairen Umgang mit dem Golfemirat aus. „Wir wissen, dass es in der Vergangenheit erhebliche Verstöße gegeben hat“, sagte der Bundeswirtschaftsminister am Dienstag zum Abschluss seiner Golfstaaten-Tour in Doha. Dort wurde der SPD-Chef auch vom Emir Katars, Scheich Tamim bin Hamad al-Thani, empfangen. Die Lage der Arbeiter in Katar wird seit langem international scharf gerügt.

 

Berichten zufolge müssen Arbeiter oft viele Stunden lang in sengender Hitze ohne Pause schuften. Außerdem seien sie zum Teil in menschenunwürdigen Unterkünften untergebracht. Besonders umstritten ist das katarische „Sponsorensystem“, bei dem der Arbeitgeber ausländischen Arbeitern den Pass abnimmt. Amnesty International nennt das eine moderne Form von „Leibeigenschaft“. Momentan halten sich mehr als 13.000 Gastarbeiter in Katar auf.

Der Westen sollte anerkennen, dass Katar auf Druck von Gewerkschaften und der UN-Arbeitsorganisation ILO viel für die Wanderarbeiter verbessert habe, sagte Gabriel. „Ich finde, das gehört auch zur Wahrheit.“ Der Minister schaute sich in Doha eine Großbaustelle für einen neuen Stadtteil an, wo auch das Stadion für die Eröffnung und den Abschluss der WM entstehen soll.

Harsche Kritik von den Grünen

Kritik am angeblichen Kuschelkurs des Wirtschaftsministers kam von den Grünen: „Das ist typisch für Sigmar Gabriel: In Deutschland brüllte er noch laut wie ein Löwe, in Katar ist er nun handzahm wie eine Hauskatze. Für uns ist klar: Die Katar-Entscheidung war falsch, ist falsch, bleibt falsch", sagte Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt.

Die Regierung in Katar wies ausländische Kritik an den Arbeitsbedingungen Tausender Gastarbeiter zurück. Die Verantwortung für die Probleme liege zum großen Teil in den Händen ausländischer, auch deutscher Unternehmen. Zwischen März und August 2014 seien 700 Inspektionen von Arbeiterunterkünften durchgeführt worden. Dabei hätten Kontrolleure 827 Verstöße gegen katarische Vorschriften geahndet, heißt es in einem der Deutschen Presse-Agentur vorliegenden Schreiben des katarischen Botschafters in Berlin, Abdulrahman bin Mohammed Al-Khulaifi.

In dem Brief wirft er einzelnen Medien vor, teilweise einseitig und polemisch rund um die WM 2022 und die Baustellenproblematik zu berichten. Er räumt darin aber auch ein: „Wir sind weit davon entfernt zu behaupten, dass in Katar alles perfekt ist und keine Fehler gemacht werden.“ Noch in diesem Jahr würden Reformen der Arbeitsgesetze umgesetzt.

Die deutsche Wirtschaft klagt über massive Nachteile in Katar. Wegen der Probleme mit einem Staatskonzern bei der geplanten Ausbeutung eines Gasfeldes schließt zum Beispiel die BASF-Tochter Wintershall einen Rückzug aus dem Projekt nicht aus.