Bei den Grünen stellt nach dem schlechten Abschneiden bei der Bundestagswahl das gesamte Führungspersonal seine Ämter geschlossen zur Verfügung. Özdemir kann sich aber vorstellen, erneut anzutreten.

Berlin - Als Konsequenz aus dem Wahldebakel der Grünen stellt die gesamte Parteiführung ihre Ämter zur Verfügung. Der sechsköpfige Bundesvorstand und der 16-köpfige Parteirat würden beim nächsten Parteitag im Herbst vorzeitig neu gewählt, kündigten die Parteivorsitzenden Claudia Roth und Cem Özdemir am Montag in Berlin an. Die Spitzenkandidaten Katrin Göring-Eckardt und Jürgen Trittin ließen ihre Zukunft offen. Möglichen Sondierungsgesprächen mit der Union wollen sich die Grünen nicht verweigern. Sie geben aber Schwarz-Grün kaum eine Chance. Die Grünen waren am Sonntag im Bund von 10,7 auf 8,4 Prozent abgesackt.

 

Einem möglichen Treffen mit der Union wollen sich die Grünen nicht verschließen. „Dass man so Gespräche führt, ist eine Selbstverständlichkeit“, sagte Özdemir. Es gebe aber große Unterschiede. Trittin sagte, dass die Möglichkeiten, „zu einer gemeinsamen Vereinbarung und handlungsfähigen Grundlage mit der Union zu kommen, außerordentlich beschränkt sind“. Parteichefin Roth sagte: „Wir sind nicht die Ausputzer der Union.“

Özdemir kann sich erneute Kandidatur vorstellen

Mit dem Rückzug von Vorstand und Parteirat solle nach der Wahlniederlage eine Neuaufstellung rechtzeitig vor der Bundestagswahl 2017 möglich werden, sagte Roth. Özdemir ließ durchblicken, dass er sich vorstellen kann, wieder als Parteichef anzutreten. Roth kündigte an, sie habe sich in der Frage entschieden, wolle das aber erst in der Partei bekanntgeben. Fraktionschef Trittin sagte: „Ich möchte der Diskussion der wiedergewählten Abgeordneten nicht vorgreifen.“ Ähnlich äußerte sich Göring-Eckardt.

An diesem Dienstag kommen die alten und neuen Abgeordneten erstmals zusammen. Ob Trittin Fraktionschef bleibt, ist offen. Der langjährige Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen im Bundestag, Volker Beck, kündigte an, nicht mehr für das Amt antreten zu wollen. „Ich sehe meine Perspektive in der Fachpolitik“, sagte der Menschenrechtspolitiker.

Parteichefs und Spitzenduo kündigten eine schonungslose Analyse an. „Diese Arbeit wird hart sein, das wird auch nicht eine Arbeit von wenigen Tagen sein“, sagte Göring-Eckardt. Trittin meinte: „Wir sind wieder auf das Niveau zurückgefallen von 2002/2005.“ Offenbar habe es keine Mehrheit für das Programm gegeben. „Wir müssen heute mit dem Wahlergebnis feststellen, dass es in Deutschland eine konservative Mehrheit gibt.“

Steuerkonzept als Stein des Anstoßes

„Wir haben den Eindruck erweckt, dass wir mit unseren Steuerkonzepten nicht gestalten, sondern belasten wollen“, sagte Göring-Eckardt. Auch das Image als Verbotspartei hätten die Grünen nicht abstreifen könnten, meinten die Spitzenvertreter. Geschadet habe auch die Pädophilie-Debatte. Nun solle zusätzlich zum begonnenen wissenschaftlichen Ausleuchten dieses Themas eine Aufarbeitung mit Zeitzeugen stattfinden.

Fraktionsvize Kerstin Andreae sagte, es gehe um die Frage: „Warum haben wir unser Potenzial nicht ausgeschöpft, in die Mitte der Gesellschaft hinein, aber auch mit Blick auf die Unternehmen?“ Zu Spekulationen, sie solle Fraktionschefin werden, sagte sie: „Nötig sind selbstkritische und gemeinsame Gespräche über eine mögliche Neuaufstellung.“ Genannt werden außerdem immer wieder Göring-Eckardt seitens der Realos und der Verkehrspolitikers Anton Hofreiter von den Parteilinken.

Der Grünen-Europaabgeordnete Werner Schulz griff Trittin in der „Bild“-Zeitung an: „Trittin hat sich zulasten der Grünen profiliert, hat die Finanzpolitik im Wahlkampf in den Vordergrund geschoben, weil er unbedingt Finanzminister werden wollte.“