Die Grünen haben bei der Landtagswahl in Stuttgart drei Direktmandate gewonnen. Dennoch droht Ärger wegen der Vergabe der Ministerämter.

Stuttgart  - Als sich Philipp Franke, der Kreisvorsitzende der Stuttgarter Grünen, dieser Tage an die Presse wandte, ging es ihm nicht etwa darum, nach dem überragenden Erfolg seiner Mannschaft, die drei Direktmandate und ein Zweitmandat errungen hatte, Ansprüche des Kreisverbandes auf einen Ministerposten zu erheben. Auch wenn man das gemeinhin vom ersten Repräsentanten einer erfolgreichen Bezirksgruppe in Zeiten des Wandels erwarten würde. Ihm war wichtig gewesen, die Diskussion am Freitag im alten Landtag mit Winfried Kretschmann im Veranstaltungskalender unterzubringen.

 

Am Donnerstag, in der heißen Phase der Spekulationen über die Besetzung der Ministerposten, hat Franke noch einmal betont, dass es ihm fern liege, Kretschmann Ratschläge zu erteilen. "Eine Forderungs- oder gar Anspruchshaltung gegenüber unserem zukünftigen Ministerpräsidenten in diesen heiklen Personalangelegenheiten halte ich für wenig konstruktiv", sagte Franke. Er sei sich sicher, Kretschmann werde "die richtigen Leute in die Regierung berufen".

Natürlich ist sich Franke "über den Beitrag der Stuttgarter Grünen, aber auch vieler anderer Kreisverbände zum hervorragenden Landesergebnis bewusst". Ob die Stuttgarter Kandidaten in die Regierung berufen würden, sei aber "letztlich zweitrangig". Denn die Regierungsmitglieder füllten ihre Aufgaben nicht für einen bestimmten Wahlkreis oder Kreisverband, sondern für das ganze Land aus.

Kritik an Frankes Zurückhaltung

Dafür erntet der Kreischef Kritik und Widerspruch von Peter Pätzold, Mitglied der Grünen-Gemeinderatsfraktion in der Landeshauptstadt. Er hält es für dringend erforderlich, Kretschmann daran zu erinnern, dass die Grundlagen für den Erfolg der Grünen im Land erst durch den Stuttgart-21-Widerstand und die bundesweit Aufmerksamkeit erregenden Schlichtungsverhandlungen gelegt worden seien. Auch das mittlerweile bundesweit proklamierte Modell größerer Bürgernähe sei ein Produkt der Stuttgarter Grünen.

Worauf er hinaus will: Dass man wohl nicht am Architekten des Erfolgs, dem verkehrspolitischen Sprecher der Landtagsfraktion und Ratsfraktionschef Werner Wölfle, vorbeikomme, wenn es darum gehe, den Chefposten im Verkehrsministerium zu besetzen. Dass statt Wölfle, der der SPD in der Stuttgart-21-Arbeitsgruppe die Zusage abtrotzte, keine Mehrkosten über 4,5 Milliarden Euro zu übernehmen und außerdem Bahnhofsprojekt und Neubaustrecke zu trennen vermochte, der Bundestagsabgeordnete Winfried Hermann das Rennen machen könnte, würde der Stadtrat nicht verstehen.

Seite 2: "Viele geeignete Kandidaten für Spitzenpositionen"

Dass mit dem Energieexperten Franz Untersteller bereits ein Stuttgarter Abgeordneter als ministrabel erachtet wird, sei kein Argument. Untersteller habe zwar für den Wahlkreis III im Norden erfolgreich kandidiert, komme aber aus Nürtingen und habe bisher in Bietigheim kandidiert, so dass er eher als Kandidat des Landesverbands zu werten sei.

Lösch: Viele geeignete Kandidaten

Die Grünen-Sozialexpertin Brigitte Lösch und Muhterem Aras, beides Direktmandatsgewinnerinnen, gaben sich am Donnerstag wortkarg. Bei der Debütantin Aras liegt das vor allem daran, das sie bereits als stellvertretende Landtagspräsidentin gehandelt wird. Als "Alibimigrantin", so hatte sie unmittelbar nach der Wahl noch betont, sei sie nicht zu haben. Die Steuerberaterin verwies stattdessen auf ihre Kompetenz im Finanzbereich.

Wie der Kreischef Franke betonte auch Lösch, es gebe viele geeignete Kandidaten für die Spitzenpositionen. Nachdem die SPD das Sozialressort erhalten hat, sei lediglich klar, dass sie dieses Ministerium nicht leiten werde, sagte sie lachend. Alles andere sei offen.

Das gilt auch für die Personalie Murawski. Der Stuttgarter Verwaltungs- und Krankenhausbürgermeister gilt zwar als Idealbesetzung für den Chefposten in der Staatskanzlei. Die Wahrscheinlichkeit, dass der einflussreiche Grüne, der derzeit von Venedig aus die Strippen zieht, seinen Referatsposten mit dem des Staatssekretärs tauscht, wird im Rathaus mittlerweile aber als äußerst gering angesehen.