Die EU und die Bundesregierung glauben, dass sie trotz des geplanten Freihandelsabkommen mit den USA europäische Standards für Nahrungsmittel verteidigen können. Verbraucherschützer und Umweltorganisationen sind skeptisch.

Wissen/Gesundheit: Werner Ludwig (lud)

Berlin - Lachs aus Norwegen, Appenzeller Käse, Schwarzwälder Schinken oder diverse Weinsorten – Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt hatte beim Messerundgang zum Auftakt der Grünen Woche Gelegenheit, Spezialitäten aus nahezu allen Teilen der Welt zu kosten. Der CSU-Politiker ist zuversichtlich, dass es auch beim Abschluss eines Freihandelsabkommens mit den USA möglich bleibt, regionale Lebensmittel vor Nachahmung zu schützen. Eine Nürnberger Bratwurst aus den USA soll es also auch in Zukunft nicht geben. Schmidt distanzierte sich erneut von seiner früheren Aussage, es werde kaum möglich sein, jede Wurst- und Käsesorte zu schützen.    Auch beim Thema Verbraucherschutz seien die hohen europäischen Standards „nicht verhandelbar“, sagte der Minister.

 

„Bei den Verbraucherschutz-Standards werden wir hart bleiben“, sagt auch der EU-Agrarkommissar Paul Hogan. So müsse Gentechnik trotz TTIP klar gekennzeichnet bleiben. Den Einwand, dass es bei Verhandlungen in der Regel nicht möglich sei, dass ein Partner Maximalforderungen durchsetzt, weist der Ire zurück. Er macht allerdings keinen Hehl daraus, dass die EU ein enormes Interesse daran hat, den transatlantischen Handel zu liberalisieren. Ähnlich sieht es der Bauernverband, der angesichts einer stagnierenden Nachfrage im Inland die Agrarexporte in den kommenden Jahren kräftig steigern will. Der DBV verweist im Zusammenhang mit TTIP darauf, dass die EU jährlich landwirtschaftliche Produkte für 15 Milliarden Euro in den USA absetzt, während in umgekehrter Richtung nur Agrargüter für acht Milliarden Euro exportiert werden.

Die EU sieht im Freihandel Exportchancen

Der Freihandel sei weniger eine Gefahr für die regionale Qualitätsproduktion, er verbessere vielmehr die Exportchancen für die europäischen Erzeuger, sagt der Agrarkommissar Hogan. Ziel sei, die Verhandlungen vor dem kommenden Frühjahr abzuschließen. Ansonsten könnte der Präsidentschaftswahlkampf in den USA weitere Gespräche erschweren.

Verbraucherschutzorganisationen und Umweltschützer sehen TTIP weiterhin skeptisch. Sie befürchten, dass gentechnisch veränderte Produkte, Fleisch und Milch von hormonbehandelten Tieren oder mit Chlor desinfiziertes Geflügelfleisch dennoch auf den deutschen und europäischen Markt gelangen könnten – auch ohne transparente Deklaration. „Entgegen regierungsoffiziellen Verlautbarungen ist auch beim Verbraucherschutz mit Kompromissen auf niedrigstem Niveau zu rechnen“, sagt etwa der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger. Baden-Württembergs Agrarminister Alexander Bonde wirft den USA vor, sie wollten den EU-Markt mit Kostenvorteilen erobern, die sie durch Risikotechnologien erreichten. Der Grünen-Politiker sieht die mittelständisch geprägte Ernährungswirtschaft im Land ganz besonders von den TTIP-Verhandlungen betroffen (siehe „Nachgefragt“)

Kern des Streits über TTIP sind unterschiedliche Auffassungen im Verbraucherschutz. In Europa steht das Vorsorgeprinzip im Vordergrund, nach dem Produkte auf gesundheitsschädliche Stoffe untersucht werden müssen, bevor sie verkauft werden. Der Hersteller muss also im Voraus die Unschädlichkeit nachweisen. In den USA sind dagegen die Zulassungshürden niedriger. Dafür müssen die Anbieter bei auftretenden Gesundheitsschäden mit hohen Schadenersatzklagen rechnen.