Welche Art von Landwirtschaft ist am besten für Bauern, Umwelt, Tiere und Verbraucher – und was bedeutet das für die Agrarpolitik? Darüber wird auf der weltgrößten Ernährungsmesse in Berlin heftig debattiert.

Wissen/Gesundheit: Werner Ludwig (lud)

Berlin - Eigentlich ist die Grüne Woche eine Messe, auf der sich Landwirtschaft und Ernährungsindustrie von ihrer besten Seite zeigen wollen. Doch von Hochstimmung kann in diesem Jahr keine Rede sein. Neben den massiven wirtschaftlichen Problemen vieler Bauern wird auch die Kritik an der bisherigen Art der Landwirtschaft immer lauter. Ein Überblick:

 

Die Bauern

„Landwirtschaft hat Zukunft“, sagt Bauernpräsident Joachim Rukwied auf der Grünen Woche – und klingt dabei etwas bemüht. Denn die Gegenwart ist für die Bauern alles andere als rosig. Da ist zum einen die wachsende Kritik an der Tierhaltung, zum anderen der Preiseinbruch bei wichtigen Agrarprodukten wie Milch, Fleisch oder Getreide. Wenn der Negativtrend anhält, könnte den deutschen Landwirten binnen zwei Jahren die Hälfte ihres Einkommens wegbrechen, befürchtet der Verbandschef. Doch ein überzeugendes Gegenmittel kann er den Zuhörern nicht anbieten – nur die Hoffnung, dass durch die weiter wachsende Weltbevölkerung die globale Nachfrage nach Nahrungsmitteln mittel- bis langfristig weiter steigen werde. Davon könnten auch deutsche Bauern profitieren.

Bei der gemeinsamen europäischen Agrarpolitik, in die im vergangenen Jahr rund 57 Milliarden Euro flossen, sieht Rukwied keinen größeren Reformbedarf. Strengere Tierschutzregeln oder eine staatlich kontrollierte Kennzeichnung von Fleisch nach den Haltungsbedingungen lehnt der Verbandschef ebenso ab wie strengere Auflagen bei der Düngung.

Die Bio-Bauern

Der größte Anbauverband Bioland hat in der Agrarpolitik ganz andere Vorstellungen. Er fordert eine viel stärkere Berücksichtigung von Ökologie und Tierschutz bei der Verteilung der Fördergelder, die im Durchschnitt aller EU-Länder immerhin knapp ein Fünftel der landwirtschaftlichen Einkommen ausmachen. „Bisher werden 80 Prozent der EU-Gelder nach dem Gießkannenprinzip verteilt“, kritisiert Bioland-Präsident Jan Plagge.

Derzeit erhält jeder Landwirt pro Hektar und Jahr rund 280 Euro Direktzahlungen aus der EU-Kasse – unabhängig davon, welche Pflanzen er mit welchen Methoden anbaut. Plagge fordert, dass die Bundesregierung diese Direktzahlungen kürzt und dafür mehr Geld in Agrarumweltprogramme, die Förderung tiergerechterer Ställe oder in die Umstellung auf Bio-Anbau steckt. Die Brüsseler Vorgaben ließen dies zu. Derzeit erhalten Biobauern im Durchschnitt zusätzlich zu den allgemeinen Direktzahlungen rund 300 Euro pro Hektar. Doch die dafür vorgesehenen Geldtöpfe seien zu klein, so dass etwa im Saarland die Anträge umstellungswilliger Landwirte abgelehnt werden müssten.

Nach einigen Jahren der Stagnation ist die Bio-Landwirtschaft 2015 wieder gewachsen – rund sieben Prozent der Anbauflächen werden nach Bio-Kriterien bewirtschaftet. Ohne einen Ausbau der Förderung werde die Bundesregierung ihr Ziel, den Flächenanteil auf 20 Prozent zu erhöhen, erst 2080 erreichen, so Plagge.

Die Umwelt

Mehr Bio-Anbau könne nicht nur das Artensterben bremsen oder die Nitratbelastung des Grundwassers senken, sondern auch einen entscheidenden Beitrag zum Klimaschutz leisten, sagen die Bio-Bauern. Immerhin gehen rund 13 Prozent des weltweiten Ausstoßes an Treibhausgasen auf das Konto von Ackerbau und Viehzucht. Felix Prinz zu Löwenstein wundert sich deshalb, „dass das Wort ‚Agriculture‘ in der Abschlusserklärung der Pariser Klimakonferenz nicht ein einziges Mal vorkommt.

Der Vorstandsvorsitzende des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft verweist auf eine Studie der TU München, wonach der Ackerbau unter Bio-Bedingungen bezogen auf die Erntemenge rund 20 Prozent geringere CO2-Emissionen verursacht als bei konventioneller Landwirtschaft. Die österreichische Forschungsstelle für Biologischen Landbau kommt teilweise auf bis zu 35 Prozent Emissionsminderung, bei Fleisch und Eiern sogar auf 50 Prozent.

Der Bio-Anbau führt demnach dazu, dass im Boden Humus aufgebaut und der Atmosphäre damit große Mengen an CO2 entzogen würden. Zudem wird kein mit hohem Energieaufwand produzierter Stickstoffdünger eingesetzt. Durch Bio-Anbau lasse sich auf einem Hektar – also der Fläche von rund 1,4 Fußballfeldern – jährlich eine Tonne CO2 im Bode speichern, sagt Löwenstein. „Auf die ganze Welt hochgerechnet, könnte man so in drei Jahrzehnten theoretisch den kompletten CO2-Überschuss aus der Atmosphäre holen.“

Die Verbraucher

Der Verbraucher ist in allen Debatten um die Landwirtschaft die große Unbekannte. Zwar geben bei Befragungen viele Bürger an, dass sie für Lebensmittel aus artgerechter Tierhaltung und umweltschonendem Anbau auch höhere Preise zahlen würden.

Doch an der Ladentheke macht sich das bisher kaum bemerkbar. Nur im vergleichsweise kleinen Bio-Segment liegen die Preise höher und sind zudem weniger schwankungsanfällig als bei konventionellen Produkten. Das beobachtet natürlich auch der Bauernverband mit großem Interesse. Im Dezember verschickte er sogar eine Pressemitteilung mit der in früheren Jahren undenkbaren Überschrift „Ökolandbau nachhaltig stärken“. Auf der anderen Seite sehen auch Verbraucher- und Tierschützer mittlerweile ein, dass die Kosten für tiergerechtere Ställe nicht allein den Bauern aufgebürdet werden dürfen.