Stuttgart - Bisher führt Thomas Strobl die CDU im Bündnis mit den Grünen. Doch wird das auch so bleiben? Schließlich lässt er Susanne Eisenmann den Vortritt bei der Spitzenkandidatur. Darauf hätte Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz gerne eine Antwort.
Herr Schwarz, die Grünen haben bei den Kommunal- und Europawahlen ein sehr gutes Ergebnis erzielt, die CDU musste Federn lassen. Wie wirkt sich das auf die Atmosphäre in der Koalition aus?
Die Grünen werden weiterhin als führende Kraft in dieser Koalition arbeiten. Wir wollen, dass das Land erfolgreich bleibt – auch ökologisch. Die Europawahl hat gezeigt, wie wichtig die Themen Klimaschutz, Natur und Umwelt sind. Da haben viele Menschen eine Erwartungshaltung an die Politik, und wir Grünen werden diese Erwartungen erfüllen. Es ist jetzt nicht die Zeit, um in den Wahlkampf einzusteigen. Jetzt geht’s um verlässliches Regieren.
Aber die CDU hat handfeste Wünsche an Sie, etwa ein schärferes Polizeigesetz. Kann sie das nun vergessen?
Der Koalitionsvertrag ist die Geschäftsgrundlage für die verbleibenden zwei Jahre. Wir haben erst Ende 2017 ein neues Polizeigesetz verabschiedet, mit dem die Polizei zusätzliche Befugnisse erhält, etwa für die Terrorabwehr. Wir haben dem Koalitionspartner aber auch gesagt, was mit uns nicht geht: zum Beispiel die Online-Durchsuchung.
Aber ebendiese Online-Durchsuchung, also das Ausspähen von Daten auf privaten Computern, fordert Strobl erneut.
Der Innenminister hat im vergangenen Herbst einen ersten Entwurf für seine Reformwünsche bei uns abgegeben. Da haben wir von unserem Rückgaberecht Gebrauch gemacht. An dieser Haltung hat sich nichts Wesentliches geändert.
Die CDU-Spitze hat Kultusministerin Susanne Eisenmann als Spitzenkandidatin benannt. Werten Sie das bereits als Auftakt zum Landtagswahlkampf?
Wahlkampf macht man wenige Monate vor der Wahl. Jetzt steht solide Regierungsarbeit im Vordergrund. Die Kultusministerin macht ihren Job gut. Aber es gibt auch im ihrem Bereich Aufgaben, die erledigt werden müssen, etwa die Digitalisierung an den Schulen. Die Sacharbeit muss im Vordergrund stehen.
Welchen Einfluss hat die CDU-Personalentscheidung auf die praktische Arbeit der Koalition?
Die CDU muss generell klären, wer für uns Grüne der Ansprechpartner ist. Wir wollen zum Beispiel wissen, wer die CDU-Seite im Koalitionsausschuss vertritt, dem Spitzengremium des Bündnisses. Oder in der Haushaltsstrukturkommission. Bisher war dies Thomas Strobl. Mein Pendant bei der CDU ist der Fraktionsvorsitzende Wolfgang Reinhart. Da wird es keine Veränderungen in der Zusammenarbeit geben.
Wie interpretieren Sie die Ankündigung von Frau Eisenmann, dass sie künftig die CDU-Ministerien koordinieren wird?
Ich interpretiere das so, dass sie den Wunsch hat, bei der CDU diese Führungsfunktion zu übernehmen. Umso mehr warten wir auf eine verbindliche Rückmeldung, ob es tatsächlich so ist, dass künftig Frau Eisenmann für uns die Ansprechpartnerin in politischen Fragen ist.
Bisher ist Thomas Strobl stellvertretender Ministerpräsident.
Richtig. Deshalb muss die CDU klären: Wer hat künftig bei ihr regierungsseitig den Hut auf? Es muss eine Person geben, mit der wir verbindliche Absprachen treffen können.
Frau Eisenmann muss sich nun mehr denn je profilieren. Rechnen Sie deshalb mit neuen Hürden bei den Haushaltsverhandlungen?
Die Haushaltsberatungen werden in diesem Jahr so oder so schwierig, da die Wunschlisten der Ministerien so lang sind, dass sie den Rahmen unserer finanziellen Möglichkeiten sprengen. Ich schlage vor, dass wir im Haushalt eine Art Klimakompass einführen. Das soll ein Prüfstein für neue Ausgaben sein, an dem wir messen, ob die zusätzlichen Ausgaben dem Klimaschutz und der Ökologie dienen. Wir bringen dazu neue Ideen ins Spiel. Das Thema „shared economy“ gewinnt Bedeutung. Teilen ist das neue Haben, vor allem bei jungen Menschen. Da müssen wir gerade im ländlichen Raum Angebote machen, etwa Car-Sharing ausbauen oder Nahverkehr auf Abruf fördern.
Wäre Thomas Strobl eigentlich der einfachere Gegner für die Grünen im Wahlkampf gewesen?
Der Ministerpräsident hat bereits darauf hingewiesen, wie schwierig es ist, die Position des Regierungschefs zu verteidigen. Das ist kein „g‘mähtes Wiesle“. Mit Winfried Kretschmann sind laut Umfragen drei Viertel der Menschen im Land zufrieden. Deshalb setze ich darauf, dass er nochmals antritt. Wer für die CDU ins Rennen geht, muss ich nicht bewerten.
Kretschmann will sich nach der Sommerpause erklären. Heißt das für Sie September? Oder eher Weihnachten?
Vielleicht liegt der Termin dazwischen.
Wäre es für einen Rückzug Kretschmanns nicht ohnehin zu spät? Sie müssten ja einen völlig neue Kandidatin oder einen neuen Kandidaten aufbauen.
Ich weiß, dass es viele Themen gibt, die Kretschmann gerne noch anpacken will. Denken Sie nur an die Herausforderungen für die Automobilindustrie. Oder an die Digitalisierung der Verwaltung. Oder an den Klimaschutz. Ich merke, dass er für diese Themen brennt. Insofern stellt sich die Frage nach einer Alternative gar nicht.
Rechnen Sie also damit, dass er nochmals antritt?
Ich werbe dafür. Die Entscheidung muss er selbst treffen.