Grünen-Parteitag Debatte um Boris Palmer überlagert den Aufbruch

Die Grünen halten einen digitalen Parteitag ab, dabei fordern sie ein Ökoprogramm gegen die Krise. Doch die Schlagzeilen bestimmt einmal mehr Boris Palmer – 100 Mitglieder fordern seinen Parteiausschluss.
Berlin - Die Grünen wollen der deutschen Wirtschaft mit einem Konjunkturprogramm im Umfang von 100 Milliarden Euro aus der Corona-Krise helfen. Das Programm soll noch in diesem Jahr auf den Weg gebracht werden, den Klimaschutz voranbringen und den Zusammenhalt im Land festigen.
Die Krise sei „eine tiefgreifende wirtschaftliche, soziale und gesellschaftliche Herausforderung, der wir uns in Europa gemeinsam und mit aller Kraft stellen müssen“, heißt es im zentralen Beschluss des Länderrats vom Wochenende. Die Grünen hielten ihren kleinen Parteitag wegen der aktuellen Lage komplett im Internet ab. Rund 100 Delegierte diskutierten per Videokonferenz, abgestimmt wurde ebenfalls digital.
Für Europa schlagen die Grünen ein Wiederaufbauprogramm im Umfang von mindestens einer Billion Euro vor, das auch über gemeinsame Anleihen finanziert werden soll. Parteichef Robert Habeck sagte: „Europa muss jetzt den Schritt machen, von einem marktwirtschaftlichen Projekt zu einem politischen zu werden.“
Strom soll billiger werden
Unter anderem fordert die Partei Hilfen für Unternehmen, die in klimafreundliche Technologien investieren. Ein neuartiger Fonds soll hierzulande lokale Einzelhändler, Gastronomen und Kultureinrichtungen unterstützen. Durch eine deutliche Absenkung der Ökostrom-Umlage soll Strom billiger werden, Bezieher von Hartz-IV-Leistungen und Kurzarbeiter mit niedrigen Einkommen sollen in der Krise mehr Geld erhalten.
Die Grünen hoffen, mit ihren Beschlüssen wieder in die Offensive zu kommen. Derzeit richtet sich das Augenmerk des Publikums vor allem auf die Regierung. In Umfragen auf Bundesebene geht es für die Partei nach einem langen Höhenflug steil abwärts.
Neuen Ärger gibt es derweil für den Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer: Mehr als 100 Grünen-Mitglieder haben bisher einen offenen Brief unterzeichnet, in dem der Landesvorstand Baden-Württemberg und der Kreisvorstand Tübingen aufgefordert werden, ein Parteiordnungs- oder Ausschlussverfahren gegen Palmer anzustrengen. Die jüngsten Äußerungen Palmers im Rahmen der Corona-Krise sowie viele andere zuvor seien „in keiner Weise“ mehr mit den Grundsätzen der Partei vereinbar.
Palmers Kritiker kommen aus dem linken Landesverband Berlin
Boris Palmer hatte kürzlich mit Blick auf die medizinische Behandlung älterer Corona-Patienten gesagt: „Wir retten in Deutschland möglicherweise Menschen, die in einem halben Jahr sowieso tot wären.“ Später bat der 47-Jährige um Entschuldigung dafür. Die meisten Unterzeichner des Briefes kommen aus dem eher linken Landesverband Berlin. Initiator ist übrigens der ehemalige Bundestagsabgeordnete Özcan Mutlu.
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