Immer wieder beleidigte ein Rentner in Briefen Politiker. Zuletzt traf es den Grünen Cem Özdemir, der Strafanzeige stellte. Die Gerichtsverhandlung in Horb gestaltet sich schwierig.
Ein heute 77-jähriger Rentner aus dem Kreis Freudenstadt musste sich am Dienstag wegen zweifacher Beleidigung vor dem Amtsgericht verantworten. Angeklagt war er, weil er 2023 zwei handgeschriebene Briefe an den Bürgermeister von Bad Urach geschickt hatte. Darin äußerte er sich in rassistischer und beleidigender Weise über Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen), der im Rahmen des traditionellen Schäferlaufs die Stadt besucht hatte, berichtet der "Schwarzwälder Bote".
Mit Ausdrücken wie „Türken-Dackel“ und weiteren beleidigenden Äußerungen überschritt der Angeklagte deutlich die Grenze zur strafbaren Herabwürdigung. „Das ist eine ehrverletzende und herablassende Wortwahl“, erklärte die Richterin während der Verhandlung. „Das weiß schon ein Kindergartenkind, dass das eine Beleidigung ist.“ Die Parteien SPD und Grüne beschimpfte er im Brief als „Ausländerpackpartei“.
Angeklagter: „Ist halt meine Meinung“
Der Angeklagte zeigte sich uneinsichtig. Zwar räumte er mehrfach ein: „Ja, das habe ich geschrieben“, ergänzte jedoch: „Ist halt meine Meinung. Man kann doch auch kritisieren.“ Richterin Jennifer Dallas-Buob konterte: „Man kann kritisieren, aber das ist eine Beleidigung.“
Der schwerhörige und in seiner Ausdrucksfähigkeit eingeschränkte Rentner machte der Richterin die Verhandlung nicht leicht. Immer wieder musste sie nachfragen: „Ich verstehe Sie nicht.“ Trotzdem ließ sie keinen Zweifel an ihrer Haltung zur Sache.
DNA-Treffer in der Datenbank
Ein Polizist, der den Fall bearbeitet hatte, berichtete als Zeuge von der kriminaltechnischen Auswertung der Briefe: Handschrift, Fingerabdrücke und DNA-Spuren auf dem Umschlag wiesen eindeutig auf den Angeklagten hin. Es gab einen Treffer in der LKA-Datenbank. Ein Fehler sei nicht zu erwarten, hieß es im Gutachten des Landeskriminalamts – die statistische Wahrscheinlichkeit betrug 1 zu 616,3 Trilliarden.
Der Polizist erinnerte sich an die erste Begegnung mit dem Beschuldigten: „Es ist relativ schwer, mit ihm zu kommunizieren, man kann es auch engstirnig nennen.“ Dass der Angeklagte beständig darauf beharrte, nie in Bad Urach gewesen zu sein, kommentierte die Richterin trocken: „Da steht Tatort Bad Urach, weil Sie die Briefe dorthin geschickt haben.“
Özdemir zeigte den Rentner an
Özdemir stellte Strafanzeige gegen den Mann, nachdem ihn die Polizei über die Existenz der Briefe informiert hatte. Der Inhalt der Briefe wurde in der Verhandlung in Augenschein genommen.
Bereits 2023 war der Rentner in einem ähnlichen Verfahren vor dem Amtsgericht Horb wegen Schuldunfähigkeit freigesprochen worden. Auch im aktuellen Verfahren wurde die psychische Verfassung des Angeklagten thematisiert. „Ein Psychosyndrom ist nicht ausgeschlossen“, so die Richterin. Eine Kopfverletzung hatte sich der Angeklagte vor vielen Jahrzehnten zugezogen.
So geht es nun weiter
Ein Gutachten aus dem Vorjahr hatte ihm zwar eine positive Prognose bescheinigt, doch „die Lage hat sich nicht verbessert“, betonte die Vorsitzende. Selbst ein Hörgerät habe der Angeklagte bis heute nicht angeschafft.
Daher schloss sich die Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichts an, ein neues psychiatrisches Gutachten einzuholen. „Ich habe mich schwergetan, an dem Gutachten vorbeizukommen“, sagte die Richterin am Ende. „Ich bin zu dem Schluss gekommen: Ein neues Gutachten ist angezeigt.“ Bis dahin bleibt der Angeklagte in dieser Sache vorerst ohne Urteil.
Der Fall vor Gericht
Mögliche Strafe
Im Raum stand eine Geldstrafe in Höhe von 70 Tagessätzen zu je 40 Euro – insgesamt 2800 Euro plus Verfahrenskosten.
Einschlägig bekannt
Im Bundeszentralregister des Angeklagten finden sich bereits fünf Einträge, darunter mehrere wegen Beleidigungen und Volksverhetzung. Die Verfahren wurden früher auch wegen Schuldunfähigkeit eingestellt.