Auch wenn der Zeitpunkt der Ankündigung überrascht: Daimler tut gut daran, frühzeitig grünes Licht für eine Vertragsverlängerung des Vorstandschefs zu geben, meint Harry Pretzlaff.

Berlin - So schnell kann sich das Bild ändern. Vor zwei Jahren noch hatte Daimler-Chef Dieter Zetsche einen schweren Stand auf der Hauptversammlung. Auf Druck der Arbeitnehmerseite war sein Vertrag nur um drei statt wie erwartet um fünf Jahre verlängert worden. Nach erheblicher Kritik ebenfalls der Arbeitnehmerseite musste Mercedes-Produktionschef Wolfgang Bernhard seinen Platz mit Lkw-Vorstand Andreas Renschler tauschen. All diese Turbulenzen kamen bei den Anteilseignern nicht gut an. Auf der Hauptversammlung kamen zudem Spekulationen auf, ob womöglich erneut eine Gewinnwarnung drohe. Zetsche vertröstete die Aktionäre damals auf die Zukunft. Doch die Anteilseigner wollten endlich Erfolge sehen.

 

In diesem Jahr jedoch sitzt Zetsche so fest im Sattel wie seit Langem nicht mehr. Daimler hat bei vielen geschäftlichen Kennzahlen Bestmarken erreicht. Die Dividende ist so hoch wie nie, und der Aktienkurs ist kräftig gestiegen. Die Modelloffensive zahlt sich aus, und Schwachstellen wurden beseitigt wie etwa durch die Schaffung eines China-Vorstands sowie die Neuausrichtung des Vertriebs im roten Riesenreich. Mercedes-Benz war im vergangenen Jahr die am schnellsten wachsende Premiummarke in China, wenngleich BMW und Audi dort immer noch einen Vorsprung haben. Und im laufenden Jahr gibt Daimler weltweit weiter kräftig Gas.

Um drei Jahre verlängert

Daimler-Aufsichtsratschef Manfred Bischoff hat am Mittwoch auf der Hauptversammlung nun angekündigt, dass das Kontrollgremium den Vertrag Zetsches um drei weitere Jahre verlängern will. Angesichts des Erfolgskurses ist dies keine große Überraschung. Überraschend ist allerdings der Zeitpunkt der Ankündigung, denn normalerweise befasst sich der Aufsichtsrat frühestens ein Jahr vor dem Auslaufen des Vertrags mit einer Verlängerung. Und Zetsches Vertrag läuft noch bis Ende 2016.

Es ist jedoch gut, dass der Aufsichtsratsratschef Bischoff frühzeitig Klarheit geschaffen hat, wie es an der Spitze von Daimler weitergehen soll. Und es ist ebenfalls gut, dass der Betriebsratschef Michael Brecht klargestellt hat, dass die Arbeitnehmervertreter in dieser Frage einig mit den Kapitalvertretern sind. Anders als vor zwei Jahren ziehen beide Seiten dieses Mal an einem Strang. Das Kontrollgremium wird den Vertrag mit Dieter Zetsche Anfang 2016 um weitere drei Jahre verlängern, wenn dieser will. Und Zetsche wird dieses Angebot wohl annehmen, denn er zeigt derzeit keine Anzeichen von Amtsmüdigkeit – ganz im Gegenteil.

Keine quälende Phase der Ungewissheit

Mit dieser frühen Festlegung erspart Bischoff dem Unternehmen eine quälende Phase der Ungewissheit, in der die Spekulationen ins Kraut geschossen wären, wer womöglich Zetsche beerben könnte. Solche Diskussionen wären auch intern nicht ohne Wirkung geblieben. Um eine solche Hängepartie zu vermeiden, hat BMW im Dezember völlig überraschend einen Generationswechsel an der Spitze von Vorstand und Aufsichtsrat bekanntgegeben. BMW-Produktionsvorstand Harald Krüger löst nach der Hauptversammlung im Mai Norbert Reithofer als Vorstandschef ab, Reithofer übernimmt die Führung des Kontrollgremiums.

Dieter Zetsche kann sich mit seiner Mannschaft nun ohne störende Führungsdiskussionen voll darauf konzentrieren, den Stuttgarter Autohersteller im Rennen mit den Rivalen Audi und BMW mit hohem Tempo voranzubringen. Zwar hat Zetsche schon viel erreicht, dennoch sind die Herausforderungen weiterhin groß. Nicht nur beim Absatz, sondern auch bei der Ertragskraft schneiden Audi und BMW immer noch besser ab als Mercedes-Benz. Hinzu kommt ein teurer Innovationswettlauf bei alternativen Antrieben und bei der Entwicklung von Roboterautos. Auf dem Weg zum weltweit führenden Premiumhersteller gibt es noch viel zu tun.