Deutsche Forscher haben ein Verfahren entwickelt, mit dem die Herkunft von Coltanerz bestimmt werden kann.

Hannover - Es ist eine ungewöhnliche Gesteinssammlung, die Frank Melcher an der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover zusammengetragen hat: 650 sorgfältig beschriftete Gläschen mit bröseligem, schwarzem Coltan. Dieses Mineral enthält Tantal, ein besonders seltenes Metall, welches die IT-Industrie für die Herstellung von Spezialkondensatoren für Mobiltelefone, Digitalkameras und Spielkonsolen benötigt. Mehr als die Hälfte des im Jahr 2008 auf dem Weltmarkt verfügbaren Materials stammte aus afrikanischer Produktion, drei Viertel davon wiederum aus dem Kongo. Das Coltan ist ein wesentlicher Grund dafür, warum der Krieg im Kongo nicht enden will. Die Kriegsparteien im Osten des Landes versuchen, möglichst viele der kleinen Minen, in denen das wertvolle Mineral gefördert wird, unter ihre Kontrolle zu bringen. Das Geld aus dem Verkauf investieren sie direkt in neue Waffen. So kommt es, dass mehrere Millionen Menschen im vergangenen Jahrzehnt in den bewaffneten Konflikten Zentralafrikas ihr Leben verloren haben. Große Teile der Bevölkerung leben in einem ständigen Zustand der Anarchie, der Angst, der Gewalt. Soldaten und Kinderbanden überfallen nachts die Dörfer, verüben systematische Vergewaltigungen und richten Massaker von unfassbarer Grausamkeit an.

Frank Melcher will mit seiner Gesteinssammlung dem Grauen etwas entgegensetzen. Er hat einen "geochemischen Fingerabdruck" für Coltan entwickelt, ein Novum im Rohstoffsektor: Mit modernen, wissenschaftlich aufwendigen Analyseverfahren kann er bestimmen, woher eine unbekannte Probe stammt. Damit wird erstmals prüfbar, ob der Inhalt einer Lieferung tatsächlich mit den Angaben auf dem Lieferschein übereinstimmt. Auf diese Weise ließe sich im Prinzip vermeiden, dass Coltan aus afrikanischen Bürgerkriegsgebieten in deutschen Handys landet.

Das Fingerabdruck-Projekt ist Teil eines ganzen geologisch-politischen Maßnahmenpakets, mit dem die BGR und die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) sich um mehr Transparenz und Nachhaltigkeit im Rohstoffsektor bemühen. Dazu zählt auch der Aufbau von "zertifizierten Handelsketten": Firmen, die nachweisen, dass sie ihre Produkte nach sauberen Standards produzieren und ausliefern, sollen dafür ein Zertifikat erhalten - eine Art Gütesiegel für Rohstoffproduktion.

Menschenrechtsorganistionen protestieren seit den 90er Jahren


Dass in Sachen Coltan etwas geschehen muss, steht außer Frage. Mehrere Studien belegen den Zusammenhang von Ressourcenausbeutung und fortgesetzter Kriegsführung. Seit den 90er Jahren protestieren Menschenrechtsorganisationen gegen die kriegsfördernden Coltanimporte aus Afrika. "Kein Blut auf meinem Handy", lautete der Slogan einer belgischen Kampagne. In der öffentlichen Kritik stand lange Zeit ein deutsches Unternehmen: H.C. Starck aus Goslar. Im Jahr 2000 wurde der Firma in einem Zwischenbericht der Vereinten Nationen vorgeworfen, Coltan aus Krisenregionen im Kongo bezogen zu haben. Nach den Vorwürfen arbeitete H.C. Starck mit dem UN-Gremium zusammen, und in der nachfolgenden Abschlusspublikation wurde das Unternehmen nur noch unter den "geklärten Fällen" aufgeführt. "Wir hatten damals bei Händlern gekauft, die uns zuverlässig erschienen", erklärt Pressesprecher Manfred Bütefisch. "Wir mussten dann aber feststellen, dass sie uns nicht die Wahrheit über die Herkunft ihrer Lieferung gesagt hatten." Direkt nach dem Bericht der Vereinten Nationen sei das Unternehmen dazu übergegangen, gar kein Tantal mehr aus Afrika zu beziehen.

H.C. Starck bezog das Tantal fortan aus Australien. Doch das dort ansässige Unternehmen Talison hat seine Tantalproduktion Ende 2008 eingestellt. "Auf dem Weltmarkt ist der afrikanische Preis der Maßstab, und da konnten die Australier nicht mehr mithalten", erklärt der Einkaufsmanager Joern Voigt von H.C. Starck. Der Preis pro Kilogramm, den die Australier zuletzt verlangten, lag bei etwa 80 Dollar pro Kilogramm Tantalrohstoff. In Zentralafrika ist das Material für deutlich weniger als ein Drittel dieses Preises zu haben.

Neuerdings engagiert sich H.C. Starck wieder in Zentralafrika - zumindest im kleinem Rahmen: Das Unternehmen hat in Ruanda den kleinen Bergbaubetrieb Natural Resources Development Rwanda (NRD) übernommen, um so die Handelskette selbst kontrollieren zu können. NRD ist ein kleines Unternehmen, an dem verschiedene Familien in Teams mitarbeiten. H.C. Starck hat sie mit Helmen, Stiefeln und neuem Werkzeug ausgestattet. Alle Bergleute sind inzwischen registriert und unfallversichert, und sie werden über einen kleinen Kiosk mit Lebensmitteln versorgt.

Geochemischer Fingerabdruck


Frank Melcher von der BGR hat die Konzessionen der Firma besucht und Gesteinsproben mit nach Hannover mitgenommen. Das Material ist längst vermessen und als geochemischer Fingerabdruck in der Coltandatenbank gespeichert. Melcher kann jederzeit nachprüfen, ob in der Rohstoffanlieferung bei H.C. Starck in Goslar ausschließlich Material von NRD ankommt. Eine Reihe anderer Firmen in Ruanda hat sich inzwischen an dem Pilotprojekt beteiligt. Sie lassen derzeit ihre Handelsketten für Tantal, Zinn und Wolfram prüfen. Dieser Erfolg zeigt, dass ein fairer Handel mit Metallen aus Afrika möglich ist. Die Experten von der BGR und GTZ sind derzeit dabei, ihre Ideen in die Demokratische Republik Kongo zu übertragen - ein ungleich aufwendigeres Unterfangen.