Das wird ein schwieriger Kampf: Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann will die neuen Regeln zur Bildungsfinanzierung verhindern. Dafür sucht er Unterstützer. Doch das Risiko, dass er am Ende alleine als Verlierer dasteht, ist erheblich.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Berlin - Schlimme Befürchtungen, dass die Vorschläge des Bundes zu einer kooperativen Bildungsfinanzierung den Ländern in ihrer Kernkompetenz für die Schulpolitik zwar goldene, aber erstickungsverdächtig enge Fesseln anlegen könnten, hat die baden-württembergische Landesregierung schon lange. Aber je mehr die Experten im Staatsministerium sich in die Grundgesetznovelle vertiefen, auf die die große Koalition sich mit mit der FDP- und Grünen-Fraktion im Bundestag am vergangenen Freitag verständigt hat, desto größer wird der Groll in Stuttgart und desto entschlossener geht Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) auf die Suche nach Unterstützern. Sein Ziel ist es, die Reformpläne im Bundesrat doch noch zu Fall zu bringen. „Die Pläne der Bundesregierung sind wirklich verheerend“, erklärte Kretschmann gegenüber unserer Zeitung. Sie „taugen zu nichts anderem als die Länder zu gängeln und von der eigentlichen Arbeit vor Ort abzuhalten“.

 

Der Digitalpakt ist ein starkes Lockmittel für die Länder

Auch wenn Kretschmanns Furor seit den Ankündigungen vom Freitag noch gewachsen ist, gestaltet es sich schwierig, Mitstreiter für seinen Blockadeplan zu finden. Denn mit dem Digitalpakt, der von 2019 an Geld für Breitbandanschlüsse, Tablets, Software und wohl auch gewisse Betreuungskapazitäten in die Schulen fließen lassen soll, steht ein insgesamt fünf Milliarden Euro schweres bildungspolitisches Schmankerl auf der Speisekarte. Da läuft nicht nur den Kultusministern in sechzehn Bundesländern, sondern auch manchem Regierungschef schon das Wasser im Mund zusammen. Es ist offen, wie viele von ihnen sich diesen Zuschuss entgehen zu lassen bereit sind, weil ihnen ihre Eigenständigkeit in der Bildungspolitik mehr Wert ist als hohe Fördersummen aus dem Bundeshaushalt.

Kretschmann muss vier andere Landesregierungen überzeugen

46 von 69 Stimmen sind im Bundesrat erforderlich, um die beabsichtigte Verfassungsänderung mit Zwei-Drittel-Mehrheit durchzusetzen. Umgekehrt heißt das: Kretschmann und seine potenziellen Mitstreiter brauchen 24 Nein-Stimmen oder Enthaltungen, um den Plan zu stoppen. Über sechs Nein-Stimmen verfügt Baden-Württemberg aus eigener Kraft. Dass der Südwesten im Bundesrat dagegen stimmt, hat Kretschmann bereits angekündigt. Bayern (sechs Stimmen), Sachsen (vier Stimmen) und Nordrhein-Westfalen (sechs Stimmen) haben in der Vergangenheit Skepsis gegenüber den Berliner Verfassungsplänen für eine neue Bildungsfinanzierung erkennen lassen. Die vier Länder bringen gemeinsam aber immer noch zwei Stimmen zuwenig für die von Kretschmann gewünschte Sperrminorität in der Länderkammer auf die Waage. Bisher, das hat eine aktuelle Umfrage unserer Zeitung ergeben, ist eine Blockade nicht einmal annäherungsweise in Sicht.

In München und Düsseldorf ist noch nichts entschieden

Die Neinstimmen im Bundesrat sind de facto nur bei Baden-Württemberg sicher. In Bayern wird die Bildungshoheit der Länder zwar traditionell hochgehalten und Ex-Ministerpräsident Edmund Stoiber war maßgeblich an der Föderalismusreform beteiligt, bei der die Entflechtung von Bund- und Länderkompetenzen in der Schulpolitik durchgesetzt wurde, aber Stoibers Nachfolger Markus Söder regiert mit einer brandneuen Koalition, in der die Freien Wähler den Bildungsminister stellen. „Die Haltung Bayerns im Bundesrat wird innerhalb der Staatsregierung festgelegt. Das ist bisher nicht geschehen“, erklärte Regierungssprecher Rainer Riedl auf Anfrage. Auch in Düsseldorf wird noch geprüft, ob die Berliner Pläne überhaupt verfassungskonform sind. Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) regiert dort mit der FDP, die stärkere Bundeskompetenzen bei der Bildungsfinanzierung im Bundestag mit durchgesetzt hat. „Die grundsätzliche Haltung von Ministerpräsident Armin Laschet ist bekannt“, erklärte sein Sprecher auf Anfrage. „Die Landesregierung bewertet derzeit den konkreten Vorschlag der Bundestagsfraktionen auch verfassungsrechtlich.” Laschet liberale Schulministerin Yvonne Gebauer dagegen hat den Berliner Konsens bereits begrüßt. Sachsen gab zur aktuellen Haltung der Landesregierung keine Auskunft.

Kretschmann wirft dem Bund Politik nach Gutsherrenart vor

Derzeit weiß niemand, ob Winfried Kretschmann mit seiner Gegenoffensive am Ende nicht alleine steht. Das bremst ihn aber nicht in seiner Kritik an der geplanten Verfassungsreform. „Der Bund kann den Ländern zur Sicherstellung der Qualität und der Leistungsfähigkeit des Bildungswesens Finanzhilfen für gesamtstaatlich bedeutsame Investitionen sowie mit diesen verbundene besondere unmittelbare Kosten der Länder und Gemeinden (Gemeindeverbände) im Bereich der kommunalen Bildungsinfrastruktur gewähren“, heißt die umstrittene Formulierung für Artikel 104 c im Grundgesetz. Dass dem Bund damit zu viele Mitbestimmungsrechte eingeräumt werden, ist in der grün-schwarze Landesregierung im Südwesten Konsens. „Es ist den Handelnden in Berlin nicht einmal gelungen, das Grundübel an den immer wieder aufs Neue aufgelegten Bundesprogrammen zur finanziellen Unterstützung der Länder anzugehen“, wettert Kretschmann. Besonders gegen den Strich gehen ihm Verwaltungsvereinbarungen über Berichts- und Monitoringpflichten der Länder. Damit würden sie „faktisch der Fachaufsicht des Bundes unterworfen und zu bloßen Kostgängern". Dass die Mittel beim Digitalpakt befristet sind, ist in Kretschmanns Augen der Gipfel. „Der Bund gibt nur eine Anschubfinanzierung für die Digitalisierung unserer Schulen, in drei bis fünf Jahren stehen wir Länder mit dieser Mammutaufgabe wieder alleine da“, moniert der Regierungschef. „Das ist Politik nach Gutsherrenart und Kassenlage.“