Bundesfinanzhof und Europas Gerichtshof erklären, wie sich Feinheiten von Imbiss-Tischen und Verzehrweisen auf die Mehrwertsteuer auswirken.

München - Hartnäckig hält sich das Gerücht, Richter seien manchmal etwas weltfremd. Das stimmt so nicht, wie am 24. August  wieder einmal der Bundesfinanzhof bewiesen hat. Mit zwei konträren Entscheidungen haben Deutschlands oberste Finanzrichter mitten hinein ins pralle Menschenleben gegriffen. Und was könnte praller sein als eine von Fett triefende Bratwurst.

 

Seit dem 24. August wissen wir, dass ein Gast, der vor einem am Imbisswagen befestigten Klapptisch in seine Currywurst beißt, nur den reduzierten Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent bezahlen muss. Beißt er jedoch an einem vor dem Imbissstand aufgestellten einzelnen Klapptisch in dieselbe Wurst, dann kann es deutlich teurer werden. Es kommt nun ganz auf die Umstände an, denn ganz so einfach sind die Dinge für Deutschlands Richter auch wieder nicht.

Befindet sich vor dem Klapptisch noch eine Klappbank - dem gemeinen Bratwurstesser als "Bierzeltgarnitur" bekannt -, dann steigt das Risiko erheblich, dass der Gast statt der sieben nun 19 Prozent Mehrwertsteuer berappen muss. Essen im Sitzen ist nämlich nach den Vorgaben der Juristen grundsätzlich teurer als Essen im Stehen. Fast immer ist das künftig so.

Aber es gibt noch Hoffnung

Aber es gibt Ausnahmen. Wichtig ist nämlich auch, wem die Bank gehört. Seit Mittwoch ist höchstrichterlich geklärt, dass der, der seine Bratwurst neben dem Imbisswagen auf einer Bank isst, abweichend von der Regel auch im Sitzen, nur sieben Prozent zahlen muss - wenn sich die Sitzgelegenheit im Besitz eines Dritten oder der Öffentlichkeit befindet. Dies gilt auch dann, wenn der Imbisswagen genau deshalb neben die Bank geschoben worden ist. Der Bundesfinanzhof hat seine früher entgegengesetzte Rechtsprechung jetzt geändert. Und deshalb muss ein Imbissbudenbesitzer nur für die Zeit nachzahlen, während der er neben der öffentlichen auch noch eine eigene Bank aufgestellt hatte.

Noch nicht geklärt hat der Bundesfinanzhof freilich die Frage, was geschehen würde, wenn ein Imbissbudenbesitzer einen eigenen Klapptisch vor einer öffentlichen Bank aufstellt. Die obersten Finanzrichter mussten darüber nicht urteilen. Der Tisch stand nur vor der eigenen Bank.

Aber es gibt noch eine weitere Hoffnung. Abschließend muss nämlich geklärt werden, ob der Wurstverkäufer seine zwei Sitzgelegenheit in der Absicht aufgestellt hat, dass die Gäste dort ihre Bratwurst in den Mund stecken. Oder ob er seinen Kunden beispielsweise die Möglichkeit eröffnen wollte, die Sterne zu beobachten. In diesem Fall werden nämlich wieder nur sieben Prozent fällig, und zwar auch dann, wenn die Menschen beim Sternegucken ihre Bratwurst verzehren. Wer das komisch findet, begreift nichts von den Hoffnungen der Kinobetreiber in Deutschland, die nun ihr Popcorn mit einem nur siebenprozentigen Aufschlag verkaufen dürfen.

Der komplizierte Fall ging an den Europäischen Gerichtshof

Der Bundesfinanzhof ist stolz auf seine Rechtsprechung. In einer Pressemitteilung lässt er erklären, beide Entscheidungen trügen wesentlich zur Vereinfachung der steuerrechtlichen Beurteilung von Verzehrtheken bei. Das Problem war so diffizil, dass es die deutschen Finanzrichter nicht abschließend aus eigener Kraft lösen konnten. Sie hatten den Rechtsstreit dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt.

Die Luxemburger, die sich natürlich auch mit den Feinheiten der deutschen Currywurst auskennen, hatten entschieden, einerseits komme es auf die "Gesamtbetrachtung", andererseits auf das Resopal auf dem Brett an, das als Wurstablage dient, eine "ganz einfache Verzehrtheke" eben. Da sei eine Wurst, obgleich gebraten und vor Ort verzehrt, eine Ware wie Schuhcreme auch. Nicht eine Ketschupflasche, erst "die Weiterleitung der Bestellung an die Küche", die "Präsentation der Speisen" und eine Garderobe machten eine höher zu besteuernde Dienstleistung daraus.

Woran man sieht, Richter sind nicht nur klug, sie sind auch Ästheten. (Aktenzeichen BFH: V R 35/08; EuGH: C 497/09)