Viertklässler im Land haben in den vergangenen Tagen ihre Grundschulempfehlung für die weiterführende Schule bekommen. Drei Rektoren erklären, woran sich Eltern orientieren sollten.

Rems-Murr-Kreis - Es ist eine Entscheidung, die das Leben prägt: Auf welche Schule soll mein Kind nach der vierten Klasse gehen? Wo ist es am besten aufgehoben? Viele Eltern machen sich die Wahl der weiterführenden Schule nicht einfach, einige sind regelrecht verunsichert. „Wenn ein Kind etwa die Empfehlung für die Realschule nicht hat, wird es schwierig bei uns, weil wir in den ersten zwei Jahren nicht differenzieren“, warnt etwa Monika Behrend, die Rektorin der Realschule in Remshalden. Es einfach trotzdem zu probieren, sei nicht im Sinne des Kindes.

 

Seit die verbindliche Grundschulempfehlung zum Schuljahr 2012/13 abgeschafft wurde, liegt die Verantwortung über die Wahl der weiterführenden Schule alleine bei den Eltern. Und diese haben – wie die Statistik zeigt – deutlich von diesem Recht Gebrauch gemacht. Gingen im Schuljahr 2011/12 noch landesweit rund 24 Prozent der Schüler auf eine Werkreal- oder Hauptschule, 34 Prozent auf eine Realschule und rund 41 Prozent auf ein Gymnasium, so haben sich diese Zahlen inzwischen deutlich verschoben.

Die Grundschulempfehlung muss seit dem vergangenen Jahr vorgelegt werden

Im Schuljahr 2018/19 wechselten nur noch rund sechs Prozent der Schüler auf eine Werkreal- oder Hauptschule, rund 35 Prozent auf eine Realschule und 43 Prozent auf ein Gymnasium. Für die Gemeinschaftsschule, die es seit dem Schuljahr 2012/13 in Baden-Württemberg gibt, entschieden sich für das laufende Schuljahr rund 13 Prozent der Kinder.

Seit dem Schuljahr 2018/19 müssen Eltern bei der Anmeldung an der weiterführenden Schule die – nach wie vor nicht verbindliche - Grundschulempfehlung vorlegen. Die Folge dieser neuen Praxis – das teilt das Kultusministerium mit – sind leicht veränderte Übertrittsquoten im Vergleich zum Schuljahr 2017/18. In Baden-Württemberg wechselte 2018/19 ein Prozent weniger Schüler aufs Gymnasium und ging stattdessen auf eine der anderen Schularten.

51 Prozent der Realschüler haben auch eine Empfehlung für diese Schulart

Im Rems-Murr-Kreis sind im laufenden Schuljahr genau 3704 Kinder an eine weiterführende Schule gekommen. Auf ein Gymnasium wechselten 1506 Kinder (40,7 Prozent), an eine Realschule 1389 (37,5 Prozent). 56 Kinder (1,5 Prozent) kamen auf eine Werkreal- oder Hauptschule und 676 (18,3 Prozent) auf eine Gemeinschaftsschule. Betrachtet man, mit welcher Grundschulempfehlung die Kinder auf welche Schule wechseln, ergibt sich ein interessantes Bild: Von den 1506 Kindern, die auf ein Gymnasium wechselten, hatten 1338 (88,8 Prozent) auch eine Empfehlung für diese Schulart, 150 (rund zehn Prozent) für die Realschule und 18 (1,2 Prozent) für die Werkrealschule.

Bei den Realschulen ergab sich eine größere Streuung: So hatten 320 (23 Prozent) der neuen Fünftklässler eigentlich eine Gymnasialempfehlung, 708 (51 Prozent) kamen mit einer Realschulempfehlung und 361 (26 Prozent) mit einer Werkrealschulempfehlung. Homogener sah es auf den Werkrealschulen im Kreis aus: Die 56 Schüler, die in das Schuljahr 2018/19 neu starteten, hatten zu 85,7 Prozent auch eine passende Empfehlung. 14,3 Prozent hätten auch eine Realschule besuchen können. Kinder mit gymnasialer Empfehlung wurden nicht an einer Werkrealschule angemeldet.

Eltern sollten sich die Wahl der weiterführenden Schule nicht zu schwer machen

Von den 676 Schülern, die auf eine Gemeinschaftsschule wechselten, hatten im Herbst 2018 genau 502 (74,3 Prozent) eine Werkrealschulempfehlung, 124 (18,3 Prozent) kamen mit einer Empfehlung für eine Realschule und 50 Kinder (7,4 Prozent) mit einer gymnasialen Empfehlung. In der Gemeinschaftsschule Korb sieht die Verteilung laut Rektor Thomas Kuntz anders aus: Die Kinder, die derzeit dort die fünfte Klasse besuchen, hätten zu je einem Drittel eine Empfehlung für Werkrealschule, Realschule oder für das Gymnasium. „Wir haben den Idealzustand für uns“, so Kuntz.

Zu schwer sollten sich die Eltern allerdings die Wahl für eine weiterführende Schule nicht machen. „Es ist nie eine endgültige Entscheidung für einen bestimmten Abschluss“, sagt Schulleiter Henning Zimmermann vom Heinrich-von-Zügel-Gymnasium. Die Empfehlung sei zwar ein guter Anhaltspunkt, an welcher Schule ein Kind mit seinen Fähigkeiten und Talenten gut aufgehoben sei. In Baden-Württemberg gelte allerdings die Devise: Kein Abschluss ohne Anschluss. „Unser Schulsystem ist durchlässig“, betont Zimmermann.

Was Schulleiter empfehlen

Gemeinschaftsschule: Für Rektor Thomas Kuntz sind alle Kinder bei ihm richtig aufgehoben

Die Gemeinschaftsschule in Korb war 2012 eine von 40 Pilotschulen im Land. Rektor Thomas Kuntz ist überzeugt: „Jedes Kind ist richtig aufgehoben auf der Gemeinschaftsschule.“ Das liege am Konzept des gemeinsamen und dennoch individuellen Lernens. Das Konzept geht davon aus, dass Kinder verschiedene Talente haben. Seine Bildungseinrichtungen werde den Schülern mit ihrem unterschiedlichen Leistungsvermögen in verschiedenen Bereichen gerecht. Diese Differenzierung gelinge an der Gemeinschaftsschule Korb bei allen Kindern von der fünften bis zur zehnten Klasse.

Wichtig für das Konzept sei auch der Mix an verschiedenen Leistungsniveaus: „Die Gemeinschaftsschule braucht auch die leistungsstarken Kinder.“ Die schwächeren Schüler könnten sich an deren Niveau orientieren und sich mehr anstrengen. Und auch für die stärkeren Schüler müsse etwas getan werden: „Das müssen die Eltern sehen.“ All seine Schüler würden permanent an ihre Leitungsgrenze geführt: „Wir kitzeln im positiven Sinne das Maximale aus den Kindern heraus.“

Wichtig für die Bildungsgerechtigkeit und den Erfolg seiner Schule sei auch der Ganztagesbetrieb. Die Hausaufgaben werden in der Gemeinschaftsschule nach dem Mittagessen in der individuellen Lernzeit erledigt. Dabei stehen Lehrkräfte als Unterstützung zur Verfügung. So könnten die Schüler auch mal bei kniffligen Fragen Antworten erhalten – was zu Hause nicht immer möglich sei.

Realschule: Für die Rektorin Monika Behrend zählen mehrere Faktoren bei der Schulwahl

Seit rund zehn Jahren ist Monika Behrend die Rektorin der Realschule in Remshalden. Ihre Erfahrung mit der Grundschulempfehlung ist eindeutig: „Sie stimmt zu 99 Prozent.“ Darauf könnten sich die Eltern also bei der Wahl der weiterführenden Schule verlassen. Falls sie dennoch zweifeln, gibt Behrend ihnen noch ein paar andere Faktoren an die Hand, die sie sich für und von ihren zukünftigen Schülern wünscht: Lernwille, Neugierde und Selbstständigkeit. „Es kommt darauf an, dass ein Kind lernen und etwas entdecken will“, sagt die Rektorin. Dieser Wille solle gekoppelt mit Neugier sein. Und: „Wir erwarten von unseren Schülern, dass sie relativ selbstständig arbeiten können.“

Eltern sollten sich zudem fragen: Muss ich jetzt schon immer bei den Hausaufgaben daneben sitzen? Ist das Lernen ein Kampf? Sind die Noten nur durch Nachhilfe zustande gekommen und hat mein Kind dadurch nur knapp eine Empfehlung für die Realschule oder für das Gymnasium bekommen? Dann sei es wichtig, das Kind nicht zu überfordern und es realistisch einzuschätzen.

„Nachhilfe kann man nach dem Übertritt in die weiterführende Schule noch ein bis zwei Jahre durchziehen, doch irgendwann kommt der Kampf mit den Eltern“, so Behrend. Eine wichtige Voraussetzung für die Realschule sei auch eine gewisse Ausdauer des Kindes, an einem Thema dranzubleiben und nicht gleich aufzugeben. Eltern sollten immer bedenken: „Kinder leiden, wenn sie nicht an der richtigen Schule sind.“

Gymnasium : Schulleiter Henning Zimmermann wünscht sich eine positive Arbeitshaltung

Für Henning Zimmermann, seit drei Jahren Schulleiter des Heinrich-von-Zügel-Gymnasiums in Murrhardt, ist klar: „Ein Kind mit Gymnasialempfehlung gehört auch aufs Gymnasium.“ Im ländlichen Raum – so seine Erfahrung – hätten einige Eltern Respekt vor dieser Schulart und würden ihr Kind überdurchschnittlich oft auf eine Realschule schicken. Doch Angst müsse niemand vor dem Gymnasium haben.

Wichtig sei, dass die Kinder eine rasche Auffassungsgabe und eine Grundneugierde mitbrächten. „Sie sollten Lust haben, Dinge zu erkunden“, so Zimmermann. Und im höheren Alter das Interesse zeigen, Dingen auf den Grund zu gehen. Eine gewisse positive Arbeitshaltung setze er bei seinen Schülern schon voraus, aber: „Wir erwarten nicht von Anfang an den perfekten kleinen Gymnasiasten.“

Für Zimmermann steht das Wohl des Kindes im Mittelpunkt. Wichtig bei der Wahl der weiterführenden Bildungseinrichtung sei eine begabungsgerechte Beschulung. „Es ist nicht gut, Kinder zu überfordern – aber auch nicht zu unterfordern“, sagt er.

Das Gymnasium sei die Schulart, bei der das Kognitive ein größeres Gewicht habe als in den anderen Schularten. „Wir unterstützen und begleiten unsere Schüler – aber auf dem Gymnasium geht es auch um Leistung und Leistungswille“, betont der Schulleiter. Manchmal wünsche er sich, dass die Eltern bei ihren Kindern im schulischen Kontext genauso ambitioniert seien wie im Sportverein.