An diesem Freitag wird der Grundstein für die Bahnhofshalle im Mittleren Schlossgarten gelegt. Die Bahn kämpft bei diesem Mega-Projekt weiter mit den Kosten und dem Zeitplan, Kritiker geben die Hoffnung auf einen Umstieg nicht auf.

Stadtentwicklung/Infrastruktur : Christian Milankovic (mil)

Stuttgart - Wenn am Freitag Bahn-Chef Rüdiger Grube in der Landeshauptstadt den Grundstein für den neuen Bahnhof bei Stuttgart 21 legt, tut er das auch vor den Kameras eines britischen Filmteams. Es dreht für eine Dokumentation mit dem Titel „8 Giant Projects of Infrastructure“. Das Gigantische an dem Infrastrukturprojekt Stuttgart 21 ruft bis heute Kritiker auf den Plan, die das Vorhaben vielleicht für realisierbar, aber keineswegs für finanzierbar halten. Schon macht das fragwürdige Wortspiel von der „Grabsteinlegung am Tiefbahnhof“ in den Kreisen der S-21-Gegner die Runde.

 

Reichlich Personalwechsel seit dem Baustart

Mehr als sechs Jahre nach dem symbolischen Baustart, bei dem im Februar 2010 ein Prellbock im Kopfbahnhof angehoben wurde, soll mit der Grundsteinlegung offiziell der Rohbau am Bahnhofstrog beginnen. Von den sieben Damen und Herren, die sich damals am Prellbock einfanden, ist nur noch einer im selben Amt aktiv: der Bahn-Chef Rüdiger Grube.

In unserer interaktiven Timeline beleuchten wir die Geschichte des Bahnprojekts.

Seit jenem kalten Februartag hat das Projekt Höhen und Tiefen erlebt. Gut ein halbes Jahr nach dem Baustart kam es im Mittleren Schlossgarten zu dem harten Polizeieinsatz, der als Schwarzer Donnerstag in die Stadtgeschichte eingehen sollte. Die politischen Mehrheiten in Stadt und Land wechselten.

Gleichwohl bekundete die Mehrheit der Baden-Württemberger bei der Volksabstimmung im November 2011 ihren Wunsch, das Projekt fortzusetzen – auch wenn Kritiker bis heute nicht müde werden, darauf hinzuweisen, dass bei dem Urnengang lediglich der Finanzierungsanteil des Landes zur Debatte gestanden habe.

Der Inbetriebnahmetermin ist immer wieder verschoben worden

Politisch auf der sicheren Seite, geriet das Projekt in der Folge aber noch mehrfach in Turbulenzen. Der Finanzierungsrahmen stieg auf rund 6,5 Milliarden Euro. Die Inbetriebnahme wurde erst auf 2020, dann auf 2021 verschoben – und ein Teil am Flughafen ausgeklammert, der auf keinen Fall zu diesem Termin fertig wird.

Die großen innerstädtischen Baustellen machen den Anwohnern zu schaffen. Sie klagen über den Lärm aus den Tunnelröhren, in denen 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche gearbeitet wird. Von den gut 58,8 Kilometer Tunnel unter Stuttgart haben die Mineure knapp ein Drittel gebohrt. Überraschungen blieben nicht aus. So musste die Bahn erst jüngst den Vortrieb in Untertürkheim einstellen, da Grundwasser in einen Tunnel lief.

Gegner hoffen auf einen Umstieg

Zwischenfälle wie diese und Eingeständnisse der Bahn, dass der Terminplan ambitioniert ist, nähren bei den Gegnern des Vorhabens die Hoffnung, den Umbau des Bahnknotens doch noch stoppen zu können. Zwar kommen längst nicht mehr so viele Projektgegner zu den Montagsdemos wie zu den Hochzeiten der Auseinandersetzung – aber einen langen Atem beweisen sie allemal. Am vergangenen Montag fand die 338. Demo statt. Die Mahnwache gegen das Projekt ist mittlerweile mehr als sechs Jahre ununterbrochen besetzt. Eine Gruppe der Gegner hat vor Kurzem Pläne präsentiert, was nach einem Projektabbruch mit den ausgehobenen Baugruben geschehen soll. „Umstieg statt Ausstieg“, lautet deren Motto.

Politische Mehrheiten, die ein Aus für das Projekt bedeuten könnten, sind derweil nicht zu erkennen. Aus diesem Grund bauen die Projektgegner auf den Aufsichtsrat der Deutschen Bahn. Dem soll in der nächsten Sitzung ein Gutachten der Wirtschaftsprüfer von KPMG vorgelegt werden. Die Experten haben die von der Bahnprojektgesellschaft zusammengetragenen Zahlen zur Termin- und Kostensituation des Projekts durchleuchtet. Dies auch vor dem Hintergrund, dass immer wieder Zahlen des Bundesrechnungshofs (BRH) kolportiert werden, die die Kosten bei zehn Milliarden Euro sehen. Ihre Prüfberichte hat die Behörde nun an das Bundesfinanzierungsgremium und den Haushaltsausschuss des Bundestags weitergeleitet.

Grüne Landes- und Stadtspitze bleibt dem Termin fern

Kaum vorstellbar, dass die Redner bei der Grundsteinlegung am Freitag ausführlich auf die Probleme eingehen werden – zumal die grüne Landes- und Stadtspitze durch Abwesenheit glänzt. Deswegen finden sich unter den Politikern, die sprechen, ausschließlich Vertreter der CDU. Sie werden es also sein, die bei „8 Giant Projects of Infrastructure“ eine Rolle spielen.