Die CDU will in den Haushaltsberatungen eine Senkung der Grundsteuer erreichen. Die Grünen würden notfalls mitstimmen. Der Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) sagt, es sei nicht die Zeit für Geschenke. Er will den Fraktionen die Senkung ausreden.

Stuttgart - Im Gemeinderat gibt es überraschend eine Mehrheit für den Haushaltsantrag der CDU, die Grundsteuer „intelligent“ zu senken. Die Maßnahme soll zwar nicht um jeden Preis umgesetzt werden, sondern nur, falls am Jahresende Geld übrig ist. Wenn das aber der Fall wäre, würden die Grünen ihren eigenen Beschluss aus dem Jahre 2009 korrigieren. Damals hatte die ökosoziale Mehrheit von Grünen, SPD sowie SÖS-Linke eine drastische Erhöhung um 30 Prozent beschlossen. Nun aber haben die Fraktionschefs Anna Deparnay-Grunenberg und Andreas Winter in ihrer Vereinbarung zu den Haushaltsberatungen der CDU in diesem Punkt ihre Unterstützung zugesichert. Sie dürfen sich aber enthalten, wenn die CDU allein eine Mehrheit zu organisieren vermag. Laut ihren Anträgen signalisieren auch Freie Wähler und FDP ihre Unterstützung.

 

30 Millionen Euro Mehreinnahmen

Mit den Zusatzeinnahmen, so die Begründung 2009, solle das eine halbe Milliarde Euro teure Schulhaussanierungsprogramm (2010 bis 2020) finanziert werden. Die Erhöhung von 400 auf 520 Hebesatzpunkte spült dem Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) seitdem 30 Millionen Euro pro Jahr mehr in die Kasse. Insgesamt beträgt das jährliche Grundsteueraufkommen nun 150 Millionen Euro.

Anders als die Union sieht der Kämmerer keinen Spielraum für eine Grundsteuersenkung. Im Gegenteil: er vermutet Defizite in naher Zukunft im laufenden Geschäft und spricht von einer halben Milliarde Euro neuer Schulden. Er will deshalb dem Gemeinderat vor der Entscheidung am 18. Dezember vorrechnen, dass es gar nichts zu verteilen gebe.

Haus & Grund und Mieterverein sich sich einig

Neben Schwarz-Grün ist auch das Duo Haus- und Grundbesitzerverein und Mieterverein Stuttgart für eine Senkung. Die Grundsteuer belastet nämlich Eigentümer von geschäftlich genutzten, von unbebauten und landwirtschaftlichen Grundstücken sowie jene, die ihre Immobilie selbst nutzen; aber eben auch Mieter, weil die Steuerlast umlagefähig ist. Die Ermittlung ist kompliziert, weil viele Komponenten zu berücksichtigen sind. Für eine durchschnittliche Wohnung wird eine Grundsteuer zwischen 300 und 400 Euro pro Jahr angesetzt.

Der Haus-und-Grund-Geschäftsführer Ulrich Wecker räumt zwar ein, dass ein Mieter durch die Steuersenkung kaum mehr als 40 bis 70 Euro pro Jahr spare, während die Stadt über den Schulsanierungszeitraum rund 300 Millionen Euro Mehreinnahmen verzeichne. Er betont aber, dass sich die „zweite Miete“ durch die Erhöhung vieler Einzelposten zu einer relevanten Größe entwickelt habe. Deshalb zähle bei den Nebenkosten jede Drehung an einer der vielen Stellschrauben.

Föll tue so, als sei die Stadt kurz vor dem Bankrott

Wecker sagt, eine Senkung sei längst überfällig. Seinerzeit habe der Finanzbürgermeister Einbrüche bei den Steuereinnahmen prophezeit, doch das Gegenteil sei der Fall. Kreditaufnahmen seien entgegen der Ankündigung auch nicht notwendig gewesen. „Fakt ist, dass die Stadt nahezu schuldenfrei ist.“ Föll tue aber immer noch so, „als stünde die Stadt kurz vor dem Bankrott“. Für die rund 30 Millionen Euro teure Sanierung der Wagenhallen sei Geld da – das Kulturzentrum werde somit quasi über die Grundsteuererhöhung finanziert. „Und sie kostet uns wegen des Lärmschutzes noch 400 Wohnungen“, ärgert sich Ulrich Wecker.

Rolf Gaßmann, Mietervereinsvorsitzender und SPD-Landtagskandidat, hält die Steuersenkung „für nicht verkehrt“, zumal wenn sie – wie von der CDU gefordert – „intelligent“ angewendet würde und nicht mit Darlehen finanziert werden müsse. Dass der Mieterverein die Forderung erst jetzt unterstützt, begründet Gaßmann damit, „dass wir die Hoffnung hatten, mit dem Geld würde der soziale Wohnungsbau gefördert“. In dieser Hinsicht tue sich in der Stadt bis jetzt aber nur wenig.

SPD sieht Steuersenkung skeptisch

Das sieht die SPD im Gemeinderat genauso, einer Grundsteuersenkung steht der Fraktionsvorsitzende Martin Körner allerdings skeptisch gegenüber. Die Herausforderungen seien groß, und der vorhandene Spielraum sei deshalb gering. Hannes Rockenbauch (SÖS) ist unter anderem deshalb gegen die Senkung, weil die Flüchtlingsproblematik zeige, wie unterdimensioniert die soziale Infrastruktur in der Stadt sei.

CDU-Chef Alexander Kotz kennt die Vorbehalte. Deshalb stehe seine Forderung für eine Steuersenkung unter mehreren Einschränkungen: Der Jahresabschluss 2015 muss mit einem positiven Ergebnis ohne neue Kreditaufnahmen und mit mehr freier Liquidität abschließen als geplant. Der aktuelle Ansatz beträgt 35 Millionen Euro. Zudem dürften maximal 50 Prozent der zusätzlichen freien Liquidität für eine Grundsteuersenkung verwendet werden. Diese käme wohl frühestens 2017 zur Auszahlung (maximal bis zu einer Senkung von 520 auf 420 Punkte). Die Untergrenze betrage 30 Hebesatzpunkte, darunter sei die Wirkung für den Einzelnen zu gering. Für die maximale Senkung bedarf es eines um 60 Millionen Euro höheren Überschusses, für die Minimalauszahlung braucht es rund 20 Millionen Euro.