Was bedeutet das neue Grundsteuergutachten für Immobilienbesitzer in Baden-Württemberg? Wie die Landesregierung und ihre Kritiker die Lage bewerten.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Mit Gelassenheit hat die baden-württembergische Landesregierung auf das neue Grundsteuergutachten reagiert, das der Steuerrechtler Gregor Kirchhof für den Eigentümerverband Haus und Grund sowie den Bund der Steuerzahler erstellt und in Berlin vorgestellt hat. Darin stuft Kirchhof das Grundsteuermodell der Bundesregierung, das elf Länder übernommen haben, sowie die zugrunde liegenden Bodenrichtwerte als verfassungswidrig ein.

 

Auch in Baden-Württemberg ist mit Zustellung der ersten Grundsteuermess- und Grundsteuerwertbescheide die Kritik an den möglichen Folgen der Reform lauter geworden, und viele Bürger reiben sich an den von kommunalen Gutachterausschüssen ermittelten Bodenrichtwerten. Deshalb dürfte Kirchhofs neues Gutachten auch im Südwesten auf Interesse stoßen, obwohl die grün-schwarze Koalition eine eigene und grundlegend anders konzipierte Grundsteuerreform auf den Weg gebracht hat. Von Belang ist Kirchhofs neues Gutachten für den Südwesten nur insofern, als auch hierzulande die Bodenrichtwerte der künftigen Besteuerung von Immobilien zugrunde liegen. Dass Kirchhof diese Berechnungsgrundlage kritisiert, ist nicht neu. In einer Expertise für den baden-württembergischen Bund der Steuerzahler hat er auch das hiesige Modell und die Bodenrichtwerte als unvereinbar mit dem Grundgesetz eingestuft.

Land plant keine Änderungen

Ministerpräsident Winfried Kretschmann gab sich auf Nachfrage ungerührt von der Kritik am Gesetz seiner Regierung und von Kirchhofs Gutachten. „An meiner Einschätzung hat sich dadurch überhaupt nichts geändert“, sagte er bei der Landespressekonferenz in Stuttgart. Er verwies auf ausgewiesene Verfassungsexperten, die das grün-schwarze Konzept zur Grundsteuer unter anderem besonders wegen seiner Einfachheit gelobt hätten. „Ich fühle mich da auf der sicheren Seite“, betonte Kretschmann. „Aber entscheiden wird es natürlich das Bundesverfassungsgericht“.

Es gebe keine Überlegungen über Korrekturen am Verfahren, sagte Kretschmann. Auch die vielstimmigen Klagen darüber, dass die Gutachterausschüsse der Kommunen sehr unterschiedlich arbeiteten, häufig unklare oder nach Meinung der Betroffenen ungenaue und bisweilen fehlerhafte Bewertungen vornähmen, böten dazu keinen Anlass, so der Regierungschef. Das ist auch ein Hauptkritikpunkt im jüngsten Kirchhof-Gutachten: Der Steuerrechtler attestiert den Bodenrichtwerten so „erhebliche systemische Bewertungsmängel“, dass sie „zuweilen kaum vergleichbar“ seien.

Auch der Finanzminister stützt sich auf Gutachten

Auch das Finanzministerium in Stuttgart betont, dass Gregor Kirchhof nur einer von vielen Verfassungsexperten sei, die sich zur Materie der Grundsteuer bereits geäußert hatten. Neben anderen hätten die Kölner Steuerrechtlerin Johanna Hey und der Bochumer Professor Roman Seer im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens in Baden-Württemberg die hiesige „Bodenwertsteuer als Reformoption befürwortet und sogar explizit gegenüber dem Flächenmodell und dem Bundesmodell empfohlen“. Das Haus von Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) geht deshalb weiter davon aus, dass die im Südwesten geltenden Regeln vor Gericht Bestand haben werden.

Steuerzahlerbund bereite dritte Klage vor

Der Landesverband der Steuerzahler bleibt allerdings ebenfalls bei seiner kritischen Position und sieht sich durch das Kirchhof-Gutachten bestätigt. „Die ungeprüfte Verwendung von Bodenrichtwerten ist nicht geeignet, um zu konsistenten Bewertungen von Grundstücken im Zuge der Grundsteuer zu kommen“, betont Verbandschef Eike Möller gegenüber unserer Redaktion. „Wir halten unsere Klagen gegen das baden-württembergische Modell aufrecht und sind gerade dabei eine dritte Musterklage vorzubereiten.“ Singulär sind diese Klagen nicht. Schwesterverbände des Bundes der Steuerzahler bereiten Musterklagen in Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen vor.

Am Donnerstag befasst sich auch der Landtag in Stuttgart erneut mit dem Landesgrundsteuergesetz. Dabei geht es zwar lediglich um redaktionelle und technische Anpassungen. Spannend kann die Debatte trotzdem werden. Die Novellierung der Grundsteuer treibt schließlich so viele Bürger um, wie derzeit keine andere Steuerreform.

Kritik an Gutachterausschüssen

Geschichte
Gutachterausschüsse auf kommunaler Ebene gibt es nicht erst seit der Grundsteuerreform. Sie sind in Baden-Württemberg seit langem etabliert und ermitteln Bodenrichtwerte für verschiedene Steuerangelegenheiten. Bisher spielten diese Werte etwa für Erbschaft- und Schenkungsteuer eine Rolle. Sie wurden dabei aber viel seltener angewandt, als es jetzt bei der Neubewertung von 5,6 Millionen Grundstücken der Fall ist.

Rechtsgrundlage
Die Gutachterausschüsse arbeiten nicht im luftleeren Raum. Das Baugesetzbuch und die Immobilienwertermittlungsverordnung sind rechtlich verbindliche Grundlagen für die Festsetzung der Bodenrichtwerte.

Kritik
„Wenn Gutachterausschüsse nicht optimal arbeiten, kann man das ja ändern“, sagte Winfried Kretschmann bei der Pressekonferenz. Das sei aber kein Verfassungsproblem, sondern allenfalls Thema für ein Verwaltungsgericht. Im übrigen seien Städte- und Gemeindetag dafür zuständig.