Welchen Schaden haben Stuttgart-21-Gegner am 20. Juni auf der Baustelle beim Hauptbahnhof verursacht? Die Polizei nennt eine viel niedrigere Summe als die Bahn.

Stuttgart - Der 20. Juni 2011 ist für die Stuttgart-21-Gegner der bisher schwärzestes Tag ihres bis dahin friedlichen Widerstands gewesen. Nach der Montagsdemonstration hatten einige Projektgegner den Zaun der Baustelle für die Grundwasserreinigung auf einer Länge von rund 200 Metern eingerissen, worauf etwa 300 Menschen das Areal betraten. Durch zwei Knallkörper sollen Polizisten verletzt worden sein; ein Zivilbeamter wurde tätlich angegriffen. Zahlreiche Teilnehmer dieser Aktion hatten sich zudem an Fahrzeugen und Baumaterialien zu schaffen gemacht. Das Ausmaß der Sachbeschädigung wurde am darauffolgenden Tag von der Bahn und der Polizei auf 1,5 Millionen Euro geschätzt, der von den Verursachern beglichen werden müsse.

 

Haben sich die Vermutungen der Projektbetreiber bestätigt? "Wie hoch die entstandenen erheblichen Schäden tatsächlich sind, kann noch nicht gesagt werden", teilte das S-21-Kommunikationsbüro jetzt mit. "Vor einer abschließenden Regulierung können wir angesichts laufender Gespräche, unter anderem mit Versicherungen, keine Angaben machen", so das Büro.

Den Vorfall nicht bagatellisieren

Im Internet gibt es allerdings konkrete Angaben dazu. Nach einem veröffentlichten Protokoll der Staatsanwaltschaft, von dem der StZ weitere Auszüge vorliegen, ist die Schadensermittlung seit dem 9. September abgeschlossen. Die Schadenssumme wird dabei auf 96.392,22 Euro netto beziffert – also 15-mal weniger, als Bahn und Polizei damals veranschlagt hatten. Als Quelle für diese Summe wird ein Aktenvermerk des Polizeipräsidiums genannt. Der Betrag habe sich ergeben aus den von der Versicherung regulierten Schäden, erläutert die Ermittlungsbehörde. Der Schaden an Baustoffen ist mit etwa 57.000 Euro beziffert, die Lohnkosten belaufen sich auf rund 18.000 und die Schäden an Maschinen und Geräten knapp 21.000 Euro.

In dem Papier wird allerdings deutlich gemacht, dass der Schaden zwar erheblich unter der zunächst angenommenen Höhe liege, dieser Umstand aber überhaupt nicht dazu tauge, den Vorfall deshalb zu bagatellisieren. Mit den knapp 100.000 Euro sei die Schwelle zu den im Strafgesetzbuch definierten bedeutenden Schäden immer noch weit überschritten.

Die veröffentlichte Bilanz wird vom Projektbüro nicht akzeptiert: "Wir halten die Einschätzung der Polizei, die sie unmittelbar nach dem Ereignis Mitte Juni mitgeteilt hat, weiterhin für plausibel", hieß es auf StZ-Anfrage. Die Abschlusssumme von 96.322,22 Euro " entbehrt jeglicher Grundlage" und bilde "allenfalls einen Zwischenstand der Regulierung ab".