Stuttgart - Mit solchen Aussagen macht sich Michel Wingering ganz sicher keine Freunde: „Wir bräuchten jetzt bis Ostern Dauerregen – das wäre super.“ Sechs Wochen Sauwetter, das wäre für die pandemiegeplagte Bevölkerung ein zusätzlicher harter Schlag; der Grundwasserexperte der Landesanstalt für Umwelt (LUBW) in Karlsruhe würde es dagegen als Befreiungsschlag empfinden. Denn eigentlich regnet es schon seit dem Jahrhundertsommer 2003 immer zu wenig, nur selten oder in vielen Jahren gar nicht werden die mittleren Werte früherer Zeiten erreicht. Sprich: Die Grundwasserspeicher in Baden-Württemberg bräuchten dringend Nachschub.
Ein wenig Erholung gab es aber im Januar, denn dieser Monat hat mit 157 Prozent des durchschnittlichen Regens sein Soll mehr als übererfüllt. Mit der Schneeschmelze sprudelten deshalb auch viele Quellen mit ordentlich viel Kraft, so auch der Blautopf in Blaubeuren als die vielleicht bekannteste Quelle im ganzen Südwesten. Und dennoch: An 60 Prozent der rund 2000 Messstellen im Land lag der Grundwasserspiegel Ende Januar weiterhin niedriger als ein Jahr zuvor. „Die Tendenz ist derzeit sehr gut“, betont Wingering daher, „aber wie gesagt: Jetzt muss es weiter regnen.“
Die Zahl der Dürrejahre hat stark zugenommen
Warum ist es überhaupt wichtig, wie hoch oder niedrig das Grundwasser steht? Zum einen bedeutet ein niedriger Wasserspiegel häufig niedrige Wasserstände in den Flüssen, was der Fauna und Flora schadet. Und es bedeutet oft auch einen trockenen Boden, unter dem dann Bäume, Getreide und Blumen leiden. Ein sogenanntes Lysimeter misst genau diese Bodenfeuchte; das ist, grob gesagt, ein Wasserauffang- und Wiegesystem, das unter der Erde platziert ist.
Der wichtige Lysimeter in Büchig bei Karlsruhe, der seit 1980 Daten liefert, beginnt normalerweise im November zu tropfen, wenn der erste starke Winterregen fällt. 2018 fing es erst Ende Dezember an, und jetzt dauerte es sogar bis in den Januar hinein, so spät wie noch nie. Auch der Dürremonitor des Helmholtz-Instituts zeigt einen klaren Trend in letzter Zeit: Früher gab es vielleicht ein oder zwei Dürrejahre pro Jahrzehnt – im vergangenen Jahrzehnt waren es vier schwere und vier mittlere Dürrejahre.
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Zum anderen stammen in Baden-Württemberg 70 Prozent des Trinkwassers aus dem Grund- und Quellwasser. In anderen Bundesländern ist es sogar noch viel mehr, weil diese keinen Bodensee zur Verfügung haben. Vereinzelt hatte es in den vergangenen Jahren schon Versorgungsprobleme im Land gegeben, auch wenn dies meist nur wenige Höfe betroffen hat, an denen die Hausquelle versiegt war.
Mehr Wasser soll aus der Donau entnommen werden
Aber auch die Landeswasserversorgung (LW), die drei Millionen Menschen vor allem im Osten und Norden des Landes mit Trinkwasser versorgt, muss sich auf andere Zeiten einstellen. Ende Januar habe es an einer Referenzquelle bei Langenau einen historischen Tiefststand gegeben, sagt der Landeswasserversorgungs-Sprecher Bernhard Röhrle. Aber zum Glück hat sich der Trend dann umgekehrt, und Röhrle ist „verhalten zuversichtlich“, dass mal wieder ein Jahr mit Normalwerten eintritt. Aber derzeit würden bis dorthin noch 70 Zentimeter fehlen. „Und bis zum Höchststand früherer Jahre sind es sogar noch drei Meter“, so Röhrle.
Doch baut die LW jetzt die Wasserentnahme aus der Donau aus, um sich auf ein sinkendes Angebot aus dem Grundwasser und auch auf die steigende Nachfrage durch durch Verbraucher vorzubereiten, die der Zweckverband seit knapp einem Jahrzehnt registriert. Derzeit können aus technischen Gründen bis zu 1800 Liter pro Sekunde aus der Donau geholt werden, obwohl rein rechtlich 2300 Liter pro Sekunde möglich wären. Es werden deshalb jetzt weitere Filteranlagen gebaut.
Bald kein Wasser mehr für Pools übrig?
Gerade in heißen Sommern gebe es Tage mit Spitzenabnahmen, an denen das System an seine Grenzen stoße, betont Bernhard Röhrle. Vergangenes Jahr etwa seien die meisten Menschen im Sommer zuhause geblieben und viele hätten sich einen Pool gekauft. Das sei bei der LW spürbar gewesen. Auch die Landwirtschaft bewässere zunehmend Flächen.
Womöglich in naher Zukunft müsse die Politik deshalb klären, was bei knappen Wasservorräten Vorrang habe – die Trinkwasserversorgung oder das Füllen von Pools und die Beregnung von Golfplätzen. Michel Wingering und Bernhard Röhrle können sich also gerne die Hand reichen: Mit solchen Aussagen macht sich auch der LW-Sprecher keine Freunde.