Terror verbreiten, Muslime töten, Bürgerkrieg anzetteln - die Vorwürfe gegen die „Gruppe S.“ sind heftig. Trotzdem wollen die meisten Angeklagten schweigen. Aber nicht alle.

Stuttgart - Im Prozess um die mutmaßliche rechte Terrorzelle „Gruppe S.“ haben Anwälte Zweifel an den Aussagen des Kronzeugen U. geäußert. Es handle sich bei dem ebenfalls angeklagten 49-Jährigen um eine „mindestens problematische Persönlichkeit“, sagte Anwalt Günther Herzogenrath-Amelung, der einen der elf weiteren Angeklagten verteidigt, beim zweiten Prozesstag vor dem Oberlandesgericht in Stuttgart. U. habe mehr als zwanzig Jahre in Haft oder im Maßregelvollzug gesessen. Seinen Angaben müsse man mit größter Skepsis begegnen.

 

Ähnlich äußerte sich Rechtsanwalt André Picker. Man müsse die Motivationslage ergründen, warum U. diese Aussagen gegenüber den Ermittlern gemacht habe. Es brauche noch weitere Beweismittel. Auch werde man die Ernsthaftigkeit der Aussagen in der „Gruppe S.“ beurteilen müssen.

Die terroristische Vereinigung „Gruppe S.“, benannt nach ihrem mutmaßlichen Rädelsführer Werner S., soll Waffen gehortet und Anschläge geplant haben. Am 14. Februar 2020 wurde die Bande hochgenommen. Glaubt man der Anklage, haben die Ermittler kurz vor knapp ein Blutbad verhindert. Demnach wollten die Männer Moscheen in kleinen Ortschaften überfallen und Muslime töten, um „bürgerkriegsähnliche Zustände“ auszulösen. Die Pläne sollen zum Ende hin sehr konkret geworden sein. Der Fall erinnert an das Mördertrio um den Nationalsozialistischen Untergrund NSU und die rechtsextremen Attentäter von Hanau, Halle und Kassel. Im Zentrum der Vorwürfe steht Werner S., 55 Jahre, aus dem Raum Augsburg. Auf sein Betreiben soll sich die Gruppe im September 2019 gegründet haben.

Der Angeklagte U. gilt als Kronzeuge in dem Verfahren. Er brachte die Ermittler auf die Fährte der „Gruppe S.“. Die Anklage stützt sich auf seine Aussagen. U. ist als einziger Angeklagter noch auf freiem Fuß, die anderen sitzen in Untersuchungshaft. Den zwölf Männern drohen bis zu zehn Jahre Haft. Bis zu einer Verurteilung gilt die Unschuldsvermutung.

Das Staatsschutzverfahren ist ein Mammutprozess mit Dutzenden Beteiligten

Die meisten Angeklagten ließen am Mittwochmorgen mitteilen, dass sie zu den Vorwürfen schweigen wollten. Aber es gibt zwei Angeklagte, die ankündigten, sich zu äußern. Der Angeklagte W. soll am kommenden Dienstag vernommen werden - ein 51-Jähriger, der als Angestellter in einem Verkehrskommissariat der Polizei arbeitete. W. steht als Einziger nicht wegen der mutmaßlichen Mitgliedschaft einer rechtsterroristischen Vereinigung vor Gericht, sondern wegen der Unterstützung.

Anwalt Herzogenrath-Amelung bezweifelte am Dienstag, dass die Angeklagten die geistigen und materiellen Fähigkeiten besäßen, „um die Staats- und Gesellschaftsordnung auch nur ernsthaft zu gefährden“. Einige der Männer gehörten dem „Prekariat“ an. Er bezeichnete die Anklage als übertrieben, es sei zudem schlichter Unfug, dass die Männer den Bundestag hätten stürmen wollen.

In den Gruppenchats der „Gruppe S.“ fänden sich zwar sicher „volksverhetzende Sachen“, aber da sie nicht öffentlich geäußert worden seien, handle es sich nicht um Straftaten. „Gesinnungen als solche sind nicht strafbar, wir leben in einem freien Land“, sagte der Verteidiger. Gleichzeitig fragte er: „Warum haben die Sicherheitsbehörden so lange gewartet, um dem Spuk ein Ende zu bereiten?“ Ermittler hatten die Gruppe mehrere Monate lang überwacht.

Das Staatsschutzverfahren ist ein Mammutprozess mit Dutzenden Beteiligten, bis Mitte 2022 sind Verhandlungstermine geblockt. Am zweiten Prozesstag spielte unter anderem der Zugang mehrerer Angeklagter zu den Akten eine Rolle. So beklagten sich mehrere Rechtsanwälte, dass ihre Mandanten im Gefängnis keinen ausreichenden Zugang zu ihren Leselaptops hätten.