Im Buch „Der Häseltrog“ finden sich auch Geistergeschichten. Sie lassen noch heute erschauern.

Wer glaubt schon an Geister? Im Schönbuch und im Gäu offenbar zahlreiche Menschen, vor vielen Jahren jedenfalls – und manche begegneten ihnen auch. Neben Berichten über Krieg und Brauchtum finden sich im Buch „Häseltrog“ des Eberhard Benz auch einige echte Spukgeschichten, meist kurz und rätselhaft. Erdmännchen und Schimmelreiter, die ihren Kopf unterm Arm spazieren trugen, tote Jäger und andere Schuldbeladene machten die Landschaft unsicher. Dass man ihnen in jüngster Zeit nicht mehr begegnete, muss nicht viel bedeuten. Vielleicht verstecken sie sich nur. Vielleicht kommen sie ja wieder.

 

Einem Grafen Eberhard aus dem Geschlecht der Wirtemberger soll jedenfalls der Geist eines toten Jägers im Schönbuch den Schreck seines Lebens versetzt haben. Der Graf war her hinter einem Hirschen, „einem gewaltigen Sechzehnender“, konnte ihn aber nicht erreichen. Der Graf ließ nicht locker, suchte weiter und weiter, „da begegnete ihm eines Tages mitten im grünen Wald etwas Seltsames. Es rauscht und braust durchs Gebüsch und heraus tritt ein alter, gespensterhafter Jäger, Gesicht und Wangen eingeschrumpft und verfallen, als käme er aus dem Toten Reich.“ Der Geisterjäger warnt den Grafen: Es könne ihm ergehen wie ihm selbst. Denn einst, sagt der Tote, sei er der Herr der Wälder gewesen und die Jagd seine Leidenschaft. „Und eines Tages sagte ich in der Lust meines Jagens: Wenn unser Hergott wollt‘ mit sich handeln lassen, so wollt ich für meinen Teil auf das Himmelreich verzichten, so dass er mich dafür wollt‘ ewiglich jagen lassen. Und was ich forderte geschah.“ 500 Jahre schon jage er seinem Hirsch hinterher, sagte der Geist. „Den Grafen aber erfasste ein Schauder; er ließ ab von der Spur und wandte sich heimwärts.“

Der Schlossberger spukt in Rohrau

Auf dem Schlossberg bei Rohrau wurde vor mehr als hundert Jahren ein anderer Geist gesichtet, genannt der Schlossberger. „Er erschien oft Leuten, die zu irgendeinem Zweck im Wald waren“, heißt es. Einem alten Bauern zum Beispiel, der Weiden schneiden wollte. „Plötzlich stand der Schlossberger vor ihm. Er hatte die Gestalt eines Jägers mit langem grauem Bart und er trug ein grünes Fräckle. In dieser Gestalt sollen ihn noch viele Leute gesehen haben, auch Kinder, die Beeren suchten.“ Die alten Leute, die den Schlossberger bei der Hornsteige trafen, bekamen den fraglos größeren Schrecken. „Sie sahen ihn reiten auf einem Weißschimmel, der nur drei Beine hatte. Die Hufeisen waren verkehrt aufgeschlagen. Seinen Kopf trug der Reiter unterm Arm.“ Der Schlossberger soll manchmal auch über die Äcker gefahren sein – „mit schwarzen Katzen“. Und manchmal, in alter Zeit, hörte man ihn dreschen. Deshalb sagten Rohrauer beim Holzhausn zum Spaß: „Ha, wenn mir et fertig werdet, no macht’s dr Schloßberger voll“ – und in der Nacht hörte man den Geist im Walde sägen. Die Vorstellung, im Jenseits bis in alle Ewigkeit arbeiten zu müssen, hat etwas unbestritten Schwäbisches.

Kopflose Reiter scheint es mehrere gegeben zu haben, denn auch im Bebenhäuser Tal, am Goldersbach, wurde einer gesichtet. „Da reitet ein Mann auf einem Schimmel alle Nacht auf und ab und trägt dabei seinen Kopf unterm Arm. Man nennt ihn den Bachreiter oder auch den Schimmelreiter. Er ist schon bei hellem Tage gesehen worden, indem er dahinjagte, als ob er flöge; gewöhnlich aber zeigt er sich abends, gleich nach der Betglocke. Dann hört man ihn laut im Wasser patschen, so dass die Kinder, die sich etwa beim Baden verspätet haben, schnell ihr Zeug ergreifen und damit heimlaufen.“

Wurde der Schimmelreiter erlöst?

Einmal soll der Schimmelreiter einen Boten bedrängt haben, der auf dem Weg von Lustnau nach Bebenhausen war. Er ritt dicht zur Rechten neben dem Boten her und versuchte, ihn in den Graben zu drängen. Und einmal, so heißt es, „gingen ein paar Mägdlein aus Lustnau von einer Lichtkarz weg an den Goldersbach hinaus und der Bachreiter auf seinem Schimmel kam. Eines der Mädchen rief ihn frech an, so dass der Reiter beide verfolgte bis nach hause, dort vor dem Fenster auf und ab ritt bis schließlich ein Mann den Kopf herausstreckte und rief: „Alle guten Geister loben den Herrn!“ – „Und du auch!“, rief der Schimmelreiter, und dann ist er fortgeritten.“ „Einige“, so heißt es weiter, „sagen, der Schimmelreiter sei erlöst worden und zeige sich nicht mehr; andere wollen ihn auch in neuerer Zeit gesehen haben.“ Also Obacht im Schönbuch!

Das Geschichtsbuch „Der Häseltrog“

Serie
 Unter dem Titel „Der Häseltrog“ gab der Heimatgeschichtsverein für Schönbuch und Gäu im Jahr 1950 seine erste Publikation heraus. Gesammelt und bearbeitet wurden die Sagen von Eberhard Benz, die Illustrationen stammen von Waltraut Jasper. 1993 brachte der Verlag des Böblinger Boten eine Faksimile-Ausgabe heraus, die ebenfalls vergriffen ist. In einer Reihe unregelmäßiger Beiträge wollen wir den Geschichten aus dem Häseltrog nachspüren.

Beginn
„Das ist alles geschehen unter dem Himmel unserer Heimat, der sich über Gäu und Schönbuch wölbt, und unter den Wolken, die sich im Häseltrog spiegeln. Manche solcher Mären haben wir gesammelt und aufgeschrieben. Vernehmet sie nun, Ihr Lieben, zu eurer Ergötzung.“ So leitete Eberhard Benz damals seine Sammlung der Sagen ein.

Brunnen
Der der Publikation den Namen gebende „Häseltrog“ ist ein historischer Brunnen unterhalb der Burg Kalteneck in Holzgerlingen gelegen. Der Name soll von Haselbüschen stammen, die die Quelle, aus der der Sage nach Kinder entsprangen, einst umrahmt haben sollen.