Gudrun Lerchbaums „Wo Rauch ist“ spielt in einem Wien, in dem die braune Suppe kurz vom Überkochen ist. Der Krimi ist etwas für die Liebhaber schräger und schwarzhumoriger Krimis aus Österreich. Eine Rezension von Lukas Jenkner.

Nachrichtenzentrale : Lukas Jenkner (loj)

Stuttgart - Can Toprak ist tot, der Ex-Mann von Olga Schattenberg und doch noch immer so etwas wie die große Liebe. Olga ist überzeugt, dass ihr Ex ermordet worden ist und wittert das Motiv in Cans Arbeit. Der Journalist türkischer Herkunft hat investigativ in der Szene rechter Türken und türkischer Geheimdienste recherchiert. Die streitbare Exfrau beginnt, auf eigene Faust zu ermitteln.

 

Dafür braucht sie allerdings Verbündete, denn Olga leitet an fortgeschrittener Multipler Sklerose. Sie ist an den Rollstuhl gefesselt und kann einen Großteil des Alltags nichts selbst erledigen. Die Helfer, die Olga um sich schart, sind allerdings jeweils auf ihre Weise kaum weniger lebensuntüchtig. Der Grabredner Adrian Roth hat das Temperament eines Stocks und ist harmoniesüchtig bis zur Selbstverleugnung. Kiki, mit der er in einem anderen Leben einmal liiert gewesen ist, hat wegen Totschlags im Gefängnis gesessen und ist emotional instabil.

Wien am Rand politischer Unruhen

Gemeinsam macht sich das schräge Trio auf, um den rätselhaften Tod von Can Toprak aufzuklären. Dabei kommen sie allerdings eher schlecht als recht voran, bis ein unerwarteter Todesfall das Geschehen durcheinander wirbelt und Wien an den Rand politischer Unruhen bringt. Diverse Fraktionen versuchen, aus den Toten politisch Kapital zu schlagen.

Gudrun Lerchbaum bleibt ihrem Sujet treu: Wie bereits in „Lügenland“ geht es in „Wo Rauch ist“ um den politischen Hintergrund: Österreich ist in der Hand der „besorgten Bürger“, die die muslimischen Mitbürger „freundlich“ dazu auffordern zwecks Integration Vollbart und Kopftuch abzulegen. Rechte Randalierer fühlen sich zur Selbstjustiz ermutigt. Und die türkischen Geheimdienste spielen ihr ganz eigenes Spiel.

Ein irritierendes Panoptikum

Bis es allerdings soweit ist, entfaltet sich der Krimi zunächst als klassisches Sozialdrama. Verstärkt durch die wechselnden Erzählperspektiven, schildert Lerchbaum, wie Olga Schattenberg mit ihrer Krankheit, Adrian Roth mit seiner Verklemmtheit und Kiki mit ihrem Seelenchaos ringen. Wie es sich gehört, geraten alle drei auf der Suche nach dem Täter miteinander und ihrer Umwelt ins Gehege, was zu allerlei absonderlichen Momenten führt. Das alles wirkt zunächst wie ein irritierendes Panoptikum, reiht sich aber letztlich ein in die Tradition schräger, abgründiger Geschichten, wie sie aus Österreich bekannt und beliebt sind.

Wer das mag, kann bei „Wo Rauch ist“ zugreifen, wer einen reinrassigen Politthriller erwartet, sollte lieber noch einmal in der Buchhandlung seines Vertrauens ein bisschen blättern.

Gudrun Lerchbaum: Wo Rauch ist. Argument Verlag Hamburg 2018. 285 Seiten, broschiert, 13 Euro.