Die Schulbewegung um Fetullah Gülen steht in der Kritik – in der Türkei und in Deutschland. Die muslimische Stiftung Dialog und Bildung wirbt um Vertrauen. Dafür gibt es Hilfe von einer Frankfurter PR-Agentur.

Stuttgart - Schon das Wort Leitfigur ist Ercan Karakoyun in der Beschreibung von Fetullah Gülen zu viel. Der in den USA lebende, aus der Türkei stammende Prediger sei für ihn „ein wichtiger muslimischer Intellektueller und Ideengeber“. Karakoyun ist Vorsitzender der Stiftung Dialog und Bildung in Berlin – die Gülen nahe steht. Gülens Anhänger liefern sich derzeit in der Türkei heftige Konflikte mit der Regierung Erdogan, die ihnen vorwirft, Justiz und Polizei unterwandert zu haben. In Baden-Württemberg nimmt der Verfassungsschutz, der die Bewegung noch nicht beobachtet, derzeit eine Neubewertung vor.

 

Bei einem Redaktionsbesuch der StZ betonte Karakoyun, dass „die Gülen-Bewegung nicht von oben nach unten strukturiert“ sei. Er selbst sei Gülen viermal begegnet, ihn fasziniere die Authentizität des Mannes, der aus armen Verhältnissen stamme und für den der Dialog mit anderen Religionen sowie das Zusammengehen von Islam und Demokratie „ganz wichtig“ sei.

In Begleitung von Karakoyun reist der Mitarbeiter einer Frankfurter PR-Agentur. Die Gülen-Bewegung hat sich professionelle Hilfe geholt, um die ihr gegenüber vorhandene Skepsis abzubauen. In der Türkei komme das Misstrauen und die Kritik aus zwei Lagern, sagt der Soziologe Karakoyun, der früher bei den Jusos in Dortmund aktiv war: einerseits von den Islamisten, anderseits von den Linken und Laizisten. „Dabei wollen wir so wie Gülen den Islam in die Moderne führen.“

Mehr christliche Schüler erwünscht

Laut Karakoyun ist die vor zwei Jahren gegründete Stiftung von 74 Stiftern – darunter Anwälte und Ärzte – mit einem Kapital von 160 000 Euro ausgestattet worden. Bundesweit betreiben Vereine, die Gülens Ideen nahe stehen, 25 Schulen, 150 Nachhilfeinstitutionen sowie 15 Dialogvereine. Darin werde die Toleranz vor anderen Religionen hochgehalten, in den Kitas feiere man Ramadan und Weihnachten. „Für uns ist der Dialog das Ziel.“ Einmal habe der evangelische Bischof von Berlin, Markus Dröge, vor Gülen-Leuten über den religiösen Dialog gesprochen: „Das war für uns ein tolles Signal.“ Nach dem Anschlag auf den Rabbiner Daniel Alter in Berlin habe er Alter, mit dem er bekannt sei, im Krankenhaus besucht, sagt Karakoyun. „Solche Anschläge müssen geächtet werden.“

In seinen Schulen würde sich Karakoyun mehr christliche Kinder wünschen – ähnlich wie in Tansania, wo auf den Gülen-Schulen nur 40 Prozent Muslime aber 60 Prozent Christen seien. Karakoyun bedauert, dass die Kritiker Gülens stets aus dessen „uralten Predigten“ zitierten, etwa über die angeblich notwendige Infiltration des Staates durch Muslime. Dabei habe sich der Prediger längst gewandelt, beispielsweise zu einer liberaleren Einstellung zur Frauenrolle gefunden. Man wolle bald wissenschaftliche Debatten darüber führen, wie Gülen zu bestimmten Themen stehe.