Axl Rose hat es trotz aller Skepsis geschafft. Dem Frontmann von Guns N’ Roses gelang ein prächtiger Einstand als Sänger der Hardrockband AC/DC - obwohl er im Sitzen singen musste.

Lissabon - Axl Rose hatte wohl schon nach dem zweiten Song ein gutes Gefühl. „Plötzlich ist es ein sonniger Tag geworden!“, rief der 54-Jährige in die Menge, obwohl nach stundenlangem Regen am späten Samstagabend immer noch schwarze Wolken den Himmel über Lissabon bedeckten. Die gute Vorahnung des Frontmanns von Guns N’ Roses sollte sich bestätigen: Bei seinem Debüt als Sänger von AC/DC überzeugte Rose in der Hauptstadt Portugals auch die vielen Skeptiker unter den Fans der australischen Kultrockband.

 

Spätestens als der US-Amerikaner gegen Konzert-Mitte mit seiner schrillen, durchdringenden Stimme den AC/DC-Klassiker „You shook me all night long“ schmetterte, gerieten die 55 000 auf dem schlammigen Gelände am Tejo-Fluss aus dem Häuschen. Es gab ohrenbetäubenden Jubel, obwohl Rose wegen eines gebrochenen Fußes „unrockmäßig“ sitzend auftreten musste. Aber da war ja auch noch Angus Young. Der Leadgitarrist tritt mit 61 immer noch unbeirrt in Schuluniform auf und saust und hüpft wie ein Wirbelwind über die Bühne. Seine Solos und Riffs suchen ihresgleichen.

Axl Rose sprang wegen des Ausfalls von Brian Johnson ein. Der Mann mit der unverwechselbaren Falsettstimme hatte Anfang März eine Hiobsbotschaft erhalten: Wenn er nicht sofort eine Pause einlege, drohe ihm der Verlust seines Gehörs, hieß es. Die Hardrocker, die sich selbst lieber „Rock’n’Roller“ nennen, waren da gerade mit ihrer Rock-or-Bust-Tour in den USA unterwegs. Der 68-jährige Johnson hörte auf den Rat der Ärzte und legte das Mikro aus der Hand. Und seine Kollegen sagten die restlichen zehn US-Konzerte ab.

Mitte April dann, nach vielen Gerüchten, wurde die Verpflichtung von Rose offiziell. Eine sensationelle Symbiose. Die Fortsetzung der Welttournee der Hardrocker in Europa war gerettet. Doch die Maßnahme löste auch einen Sturm der Entrüstung aus. Der oft als „Rock-Schnösel“ und als arrogant verschriene Rose - der zu allem Übel mit den „Guns“ zuletzt die meisten seiner Arbeiten in den Sand gesetzt hatte - als Frontmann einer der größten Bands der Musik-Geschichte? Viele AC/DC-Fans gaben ihre Karten zurück, kündigten in sozialen Netzwerken wehmütig das „Ende des Rock and Roll“ an.

Auch prominente Vertreter der internationalen Musikszene hatten die Nase gerümpft und geschimpft. „Was? Ich bitte euch, das wird doch wie Karaoke sein“, machte sich der Mitgründer und Sänger der Rockband The Who, Roger Daltrey, lustig. Im Interview mit der spanischen Zeitung „ABC“ nahm auch Ex-Oasis-Mann Noel Gallagher kein Blatt vor den Mund. „Oh my God, das kann nicht wahr sein. Nein, das ist verrückt!“ Der Brite schlug, so das Blatt, die Hände vors Gesicht: „Das ist so, als würde Adele bei den Supremes singen.“

Fans und Medien gaben der Kombo in Lissabon ihren Segen

Doch Fans und Medien gaben der Kombo in Lissabon ihren Segen. Sandra war extra aus Köln angereist - und bereute es nicht. „Von wegen Karaoke, das war Hardrock pur. Und dabei hätte ich meine Karte fast zurückgegeben, als ich von der Verpflichtung von Axl Rose gehört habe“, sagte die 25-Jährige der Deutschen Presse-Agentur.

Nicht nur Sandra wurde vom Guns N’ Roses-Vorturner bekehrt. „Es war toll, Axl Rose war großartig. Wir wussten nicht, was da auf uns zukam, aber es war toll“, sagte eine junge Zuschauerin in einem Video der Organisatoren. Kritik gab es kaum, auch in den Medien nicht. Die treffendste Bilanz lieferte das portugiesische Renommierblatt „Público“ mit der Schlagzeile: „Die Angst war unbegründet: Mit Axl Rose ist AC/DC immer noch AC/DC“. Die Prüfung sei „mit Auszeichnung bestanden“ worden, hieß es.

Die Fans würdigten auch, dass Rose großen Respekt vor der Band gezeigt hatte, die seit 1973 rockt und mehr als 200 Millionen Alben weltweit verkaufte. Vor allem die Songs von „Back in Black“ seien „eine große Herausforderung„, hatte Rose kurz vor dem Debüt in Lissabon gesagt. Der Mann aus Lafayette im US-Staat Indiana hatte nach eigenen Angaben Angus Young angerufen, um seine Bewunderung auszudrücken und seine Hilfe anzubieten.

Und wie er half: In gut zwei Stunden gab es „High Voltage“?, ?„T.N.T“, „Rock’n’roll train“? und am Ende das auch unvermeidliche ?„Higway to Hell“. Für immer und ewig soll die Zusammenarbeit aber nicht sein. Rose tanzt ja auf mehreren Hochzeiten, seit Anfang April tourt er wieder mit Guns N’ Roses („November Rain“) - zum ersten Mal seit zwei Jahrzehnten wieder gemeinsam mit Gitarrist Slash. Und Johnson versicherte, er wolle vom Ruhestand nichts wissen: „?Meine Ärzte haben mir gesagt, dass ich weiterhin in Studios Musik aufnehmen kann, und das will ich auch tun.“?

„UUhhhh, Rock’n’roll lebt!“, schrie Sandra vom Tanzen ausgelaugt am Ende. Die deutschen Fans, die nicht nach Lissabon konnten, werden sich eine eigene Meinung bilden können: Die Band präsentiert sich in der neuen Formation am 26. Mai in Hamburg und am 1. Juni in Leipzig. Nächste Station ist am Dienstag aber zunächst Sevilla.