Die Gurlitt-Ausstellung in der Bonner Bundeskunsthalle beleuchtet den Kunsthandel unter Hitler.

Bonn - Eine junge Dame im Halbprofilprofil. Blass, brünett, namenlos. Doch es gibt etwas, das sie unverwechselbar macht. Ein geflicktes Loch in der Leinwand. Vor einigen Tagen erst hatten Restauratoren jenen Schönheitsfehler entdeckt, der Thomas Coutures Porträt unverwechselbar macht und es als „Raubkunst“ entlarvt. Denn Dokumente belegen eindeutig, dass das durchlöcherte Bildnis einst dem jüdischen Politiker Georges Mandel gehörte, den die Nationalsozialisten 1944 in Frankreich ermorden ließen. Wenig später findet es sich wieder bei dem NS-Kunsthändler Hildebrand Gurlitt.

 

Sein Sohn und Erbe Cornelius behielt das gute Stück. Jetzt hängt dieser klare Fall von Raubkunst in der Bundeskunsthalle. Denn im Bonner Part der Doppelausstellung „Bestandsaufnahme Gurlitt“ geht es um den „NS-Kunstraub“. Rund 250 Werke aus dem berüchtigten Gurlitt-Fundus sind dazu in Bonn versammelt. Von Cranach bis Couture, von Dürer bis Degas, von Rembrandt bis Rodin. Und weiter zur wunderbar vernebelten Waterloo Bridge, 1903 gemalt von Claude Monet. Das meiste hat man Jahrzehnte nicht gesehen, weil es bei Cornelius Gurlitt daheim in Schwabing verbogen war.

Ein Durcheinander, keine Sammlung

Es ist ein eher disparates Durcheinander, das man kaum Sammlung nennen mag. Doch mit einigem Geschick gelingt es der Schau, das breit gefächerte Sortiment des Kunsthändlers in eine schlüssige Geschichte zu fassen. Entlang der Gemälde, Grafiken und Skulpturen verfolgt sie die bewegte Vita von Hildebrand Gurlitt, der als Museumsdirektor in Zwickau und Leiter des Hamburger Kunstvereins nicht gut ankam, weil er auf die Avantgarde setzte. Der 1933 als Kunsthändler aktiv wurde, bald seinen Profit aus den Repressalien gegen jüdische Kollegen zog und sich später den Nationalsozialisten andiente. Hildebrand Gurlitt – ein Rad im Getriebe jener perfiden Kunstpolitik der Nazis, die in Bonn eindrücklich skizziert wird. Bereichert durch sogenannte „Fallbeispiele“ – wie jenes der verfolgten Familie Wolffsohn, die einige Zeichnungen von Adolph Menzel zu lächerlichen Preisen verkaufen musste, wohl um mit dem Geld ihre Flucht zu finanzieren. Ein Blatt landete im Kölner Wallraf-Richartz-Museum und konnte an die Erben in den USA zurückgegeben werden.

Am Start des Bonner Parcours ruft eine wandfüllende Collage aus Schlagzeilen den zweifelhaften Mediensturm in Erinnerung, den der Schwabinger Kunstfund 2013 entfacht hatte. Von einem „Nazi-Schatz“ war da die Rede, zum großen Teil mit Raubkunst bestückt, und angeblich milliardenschwer. Am Ende stellt sich nun doch alles etwas weniger spektakulär dar. Man spricht inzwischen bei den gut 1500 Arbeiten von einem dreistelligen Millionenwert. Dabei sind neben Coutures durchlöcherter Dame gerade einmal fünf Stücke als Raubkunst-Werke überführt. Daneben stehen allerdings einige hundert Verdachtsfälle, die weiter untersucht werden sollen. Doch für eines waren der Rummel und die vielen Schlagzeilen gut: Sie haben das Thema Raubkunst ins öffentliche Bewusstsein katapultiert und der Provenienzforschung zu einem nie dagewesenen Aufschwung verholfen. Nicht zuletzt dank dem „Fall Gurlitt“ nehmen immer mehr Museen ihre Schätze unter die Lupe.