Die Taskforce Schwabinger Kunstfund löst sich zum Jahresende auf. Dann erforscht das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste in Magdeburg die Herkunftsgeschichte der Werke der Sammlung Gurlitt.

Stuttgart - Ende des Jahres beendet die Gurlitt-Taskforce ihre Arbeit – doch das Kapitel Schwabinger Kunstfund wird damit noch keineswegs ad acta gelegt. Die Werke der Sammlung, die Cornelius Gurlitt von seinem Vater, dem NS-Kunsthändler Hildebrand Gurlitt, geerbt hatte, müssen zu einem überwiegenden Teil noch auf ihre Provenienzen, also auf ihre Herkunftsgeschichte, abgeklopft werden, bevor der Fall als abgeschlossen betrachtet werden kann. 2016 übernimmt daher das von Kulturstaatsministerin Monika Grütters im Januar 2015 gegründete Deutsche Zentrum Kulturgutverluste in Magdeburg die weitere Provenienzrecherche.

 

Die Aufregung über den brisanten Kunstfund will sich aber noch immer nicht legen. So wurden die Taskforce und deren Leiterin Ingeborg Berggreen-Merkel von der „Süddeutschen Zeitung“ unlängst beschuldigt, die Arbeit des Expertengremiums nur schleppend vorangetrieben zu haben. Gerade bei einem Prozent der rund fünfhundert „raubkunstverdächtigen“ Werke, so empörten sich die Verfasser, hätte die Taskforce die Herkunft bisher klären können. Bis Ende November waren das die „Zwei Reiter am Strand“ von Max Liebermann und die „Sitzende Frau“ von Henri Matisse, die beide an die Erben der früheren Besitzer zurückgegeben wurden. Als „NS-verfolgungsbedingt entzogen“ stuften die Forscher darüber hinaus auch „Das Klavierspiel“ von Carl Spitzweg und „La Seine vue du Pont Neuf“ von Camille Pissarro ein sowie (nach Erscheinen des SZ-Artikels) die Zeichnung „Inneres einer gotischen Kirche“ von Adolph von Menzel. Restituiert werden konnten diese drei Werke bisher nicht, da noch niemand Anspruch auf sie erhoben hat.

In Auktionshäusern, so behaupten die SZ-Autoren unter Berufung auf ein ungenanntes Mitglied der Taskforce allen Ernstes, sei man in der Lage, Provenienzen binnen 48 Stunden zuverlässig zu klären. Der Vorwurf mangelnder Sachkenntnis, den sie Berggreen-Merkel und ihrer Truppe machen, richtet sich damit vor allem gegen sie selbst, denn jeder halbwegs mit dem Thema Provenienzforschung vertraute Journalist weiß, welch ein mühseliges und langwieriges Geschäft sie ist. Die Karlsruher Kunsthalle etwa brauchte drei Jahre, um die Herkunft eines Goya-Porträts zu prüfen, das sich seit der Nachkriegszeit in ihrem Besitz befindet, wie aus einem Bericht im jüngsten Jahrbuch der Kunstsammlungen in Baden-Württemberg hervorgeht.

Es gibt keinen Bestandskatalog

Berggreen-Merkel, von Haus aus Juristin, verteidigte sich vor dem Ausschuss für Wissenschaft und Kunst des Bayerischen Landtags gegen die Anwürfe mit dem Hinweis, dass die Taskforce sich – im Gegensatz zu Provenienzforschern in Museen – nicht auf einen Katalog stützen konnte. Das einzige Bestandsverzeichnis der Gurlitt-Schätze, das ihr vorlag, wurde vom Zoll erstellt, mit der Folge, dass etwa ein Madonnenbildnis auf der Liste als „Junge Frau mit Kind im Arm“ bezeichnet wird. Es habe darum viel Zeit und Aufwand gekostet, die Werke überhaupt eindeutig zu identifizieren. Im Übrigen könne von einem Misserfolg ihrer Arbeit nur dann die Rede sein, wenn mit einer hohen Dunkelziffer von Raubkunstfällen zu rechnen sei. Zudem lässt sich die Herkunft vieler Werke wohl überhaupt nicht mehr mit Sicherheit feststellen, schon weil es sich bei einem wesentlichen Teil um grafische Blätter handelt. „Forschungsergebnisse lassen sich nicht erzwingen“, sagte auch der Sprecher des Zentrums Kulturgutverluste, Timm Schulze. Bestehe ein begründeter NS-Raubkunstverdacht, würden die Objekte in die Lost-Art-Datenbank eingestellt.

Dass die Öffentlichkeit überzogene Erwartungen in Bezug auf Erfolgsquoten der Gurlitt-Rechercheure hegt, haben der Bund und das Land Bayern nicht zuletzt sich selbst zuzuschreiben. Schon die Benennung der Expertengruppe als Taskforce erweckte den Eindruck, dass im Schnellverfahren vollständige Transparenz im „größten deutschen Raubkunstskandal“ (SZ) herzustellen sei. Der zunächst auf ein Jahr und dann auf zwei Jahre begrenzte Einsatz der Taskforce verstärkte diesen Eindruck noch und vertrug sich schlecht mit dem Gebot der Genauigkeit und Sorgfalt, das in der Provenienzrecherche gilt.

Auch das Kunstmuseum Bern entsendet Experten

Nun geht die Arbeit in die nächste Etappe. Fortgeführt wird sie vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste mit einem Projektteam, das Steuerungs- und Koordinierungsaufgaben übernimmt, sowie Forschern, die mit der konkreten Provenienzrecherche beauftragt werden. Hinzu kommen internationale Experten zur Begutachtung der Forschungsergebnisse. „Die in der Taskforce auf allen Ebenen aufgebaute persönliche Expertise und Vertrautheit mit dem Kunstfund Gurlitt soll grundsätzlich weiterhin für das Projekt genutzt werden“, erklärte der Sprecher des Zentrums Kulturgutverluste gegenüber der Stuttgarter Zeitung. Das Kunstmuseum Bern, dem Gurlitt seine Sammlung vermacht hat, entsendet nach Auskunft von Timm Schulze zur Unterstützung der wissenschaftlichen Arbeit ebenfalls Provenienzforscher. Außerdem wollen die Schweizer eine Forschungsstelle einrichten, die sich um die Integration des Gurlitt-Erbes in das Gefüge des Kunstmuseums kümmern soll.

Abzuwarten bleibe aber das Urteil des Oberlandesgerichts München im Erbschaftsstreit um die Sammlung. Eine Cousine von Cornelius Gurlitt, die selbst Anspruch auf die Kunstwerke erhebt, ficht das Testament an, weil sie glaubt, dass er beim Verfassen seines letzten Willens nicht mehr zurechnungsfähig war. Ein Gutachten dazu wurde den Prozessbeteiligten vor dem vergangenen Wochenende zugeschickt. Über den Inhalt ließ das Gericht nichts verlauten. Eine Entscheidung im Rechtsstreit sei noch nicht gefallen, erklärte ein Sprecher des OLG.

Die Kulturstaatsministerin plant unterdessen für Ende 2016 eine Ausstellung der Sammlung Gurlitt in der Bundeskunsthalle Bonn, vornehmlich mit Werken ungeklärter Provenienz. Zustandekommen dürfte die Schau aber nur, wenn Gurlitts Cousine vor Gericht unterliegt. Andernfalls wäre sie als private Eigentümerin zu nichts verpflichtet – weder dazu, die Bilder auszustellen, noch deren Herkunft prüfen zu lassen.