Der Landesbund der Beamten wappnet sich für künftige Abwehrschlachten. Ein Gutachten der Speyrer Verwaltungswissenschaftlerin Färber beschreibt rote Linien für eine mögliche Verfassungsklage gegen die grün-schwarze Landesregierung.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Der Beamtenbund in Baden-Württemberg ist nervös: Was plant die Landesregierung nach dem Tarifabschluss der Länder, mit dem frühestens Mitte Februar zu rechnen ist? Welche Abstriche werden gemacht, wenn das Tarifergebnis auf die Beamten und Versorgungsempfänger übertragen werden soll? Bis jetzt lässt sich Grün-Schwarz da kaum in die Karten schauen.

 

Also munitioniert sich der Landesbund für künftige Abwehrschlachten, wie sie etwa bei einer Nullrunde – der für einen langen Zeitraum ausgesetzten Übernahme – gegeben wären. In seinem Auftrag erstellt Gisela Färber, Inhaberin des Lehrstuhls für Wirtschaftliche Staatswissenschaften an der Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer, ein dickes Gutachten. Es soll ein Instrumentarium aufzeigen, das gewichtige Reaktionen ermöglicht, sobald bei Sparbeschlüssen Verfassungsgrenzen tangiert werden – eine Verfassungsklage also. Hintergrund ist eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von Mai 2015: Karlsruhe hatte für die Ermittlung der noch zulässigen Untergrenze der Besoldung fünf volkswirtschaftliche Parameter als Prüfsteine aufgestellt. Wenn drei von fünf vorgegebenen Parametern erfüllt seien, „besteht die Vermutung einer verfassungswidrigen Unteralimentation“, hieß es damals. Dann könne es weitere Prüfstufen geben.

Karlsruhe gibt fünf Prüfsteine für Klage vor

Am Mittwoch hat Färber nach Informationen dieser Zeitung intern eine Zwischenbilanz vorgelegt. Demnach ist die Grenze der Verfassungswidrigkeit mit drei gekippten Prüfsteinen in der Vergangenheit noch nicht erreicht worden. Die Verwaltungswissenschaftlerin stellte aber fest, dass es in Baden-Württemberg an zwei Stellen „bedenkliche Verhältnisse“ gebe: beim Vergleich des Besoldungsniveaus mit dem Nominallohnindex sowie mit dem Lebenshaltungsindex. „Da sieht man deutlich, dass wir an der Grenze sind“, sagt Landesbund-Chef Volker Stich. Die Besoldung der Beamten im Land hat sich demzufolge unterdurchschnittlich entwickelt. Deren Einkommen seien vom Jahr 2003 an im Vergleich zwischenzeitlich gesunken und erst 2015 wieder auf Indexhöhe gekommen.

„Müssen untere Besoldungsgruppen in den Blick nehmen“

Alarmiert zeigt er sich im Hinblick auf den geringen Abstand der unteren Einkommen zum Existenzminimum. Insbesondere in Stuttgart werde dieses in den Besoldungsstufen A5 und A6 unterschritten. „Es ist zu befürchten, dass 2017 weitere Kommunen hinzukommen“, sagt Stich und schlussfolgert: „Wir müssen untere Besoldungsgruppen mehr in den Blick nehmen.“ Für die von Karlsruhe aufgegebene Prüfstufe einer Haushaltsnotlage als zulässige Begründung für massive Besoldungskürzungen stellt Professorin Gisela Färber klar fest: Von einer Haushaltsnotlage könne in Baden-Württemberg keine Rede sein.

Erst mit Murawski – dann mit Kretschmann

Der Landesbund-Chef will das Zwischenfazit der Gutachterin nun in die politischen Gespräche einfließen lassen – zunächst mit Staatsminister Klaus-Peter Murawski (Grüne). Doch schon kurz nach dem Tarifabschluss hofft er auf ein Spitzentreffen mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann.

Das erhöhte Risiko einer Verfassungsklage sieht Stich nicht gegeben: „Ich bin skeptisch, dass dies kurzfristig der Fall sein wird“, sagt er selbst für den Fall einer Sparrunde. Der Spielraum für die Landesregierung sei aber nicht groß. Am ehesten denkbar ist derzeit neben einer Deckelung der Tariferhöhungen für die Beamten eine Verschiebung der Besoldungsanhebung um mehrere Monate. Stich wünscht sich angesichts der Rekordeinnahmen dagegen das Signal, dass das Land den Tarifabschluss „ohne Gezeter“ eins zu eins übernimmt.