Unter dem für Stuttgart 21 geplanten Flughafenbahnhof und der von S-Bahn, ICE und Regionalzügen gemeinsam genutzten Fildertrasse könnte der Nahverkehr leiden – das haben Gutachter in einer Betriebssimulation festgestellt.

Rems-Murr: Sascha Schmierer (sas)

Leinfelden-Echterdingen - An Gesprächsstoff hätte es bei der Erörterung zur Fildertrasse von Stuttgart 21 auch ohne den Vorstoß aus Leinfelden-Echterdingen nicht gefehlt. Der Brandschutz im Filderbahnhof, der durch Bau und Betrieb entstehende Lärm, die Erschütterungen durch die künftig mitten durchs Wohngebiet donnernden Fernzüge sind Fragen, auf die es aus Sicht der Stadt nach wie vor keine Antwort gibt.

 

Wenige Tage vor dem Auftakt schiebt das Rathaus nun allerdings eine Studie zur Pünktlichkeit der S-Bahn nach, die noch mehr politische Sprengkraft birgt als die bisher als lokale Problempunkte erkannten Themen. Das Ergebnis wirft letztlich die Frage auf, ob durch die S-21-Planung auf den Fildern nicht das gesamte Nahverkehrsnetz in der Region aus dem Takt gerät.

Die Studie zeigt, wie sehr die Pläne auf Kante genäht sind

Denn die von Verkehrswissenschaftlern der TU Dresden erstellte Betriebssimulation zeigt, wie sehr die von der Bahn zur Planfeststellung vorgelegte Trassenplanung auf den Fildern auf Kante genäht ist. Weil durch die neu geschaffenen Engpässe – die von der S-Bahn nur noch eingleisig befahrbare Station am Flughafen-Terminal und vor allem die nicht länger kreuzungsfreie Rohrer Kurve – ein Stau-Effekt auf dem Bahngleis droht, sind nach Erkenntnissen des Instituts für Bahnsysteme im „Nahverkehr auf der Linie S 2 erhebliche Verspätungen“ zu erwarten.

Auslöser sind vor allem erhöhte Wendezeiten und eine längere Haltedauer. Nach den Berechnungen der Dresdner Wissenschaftler schaukeln sich die Verspätungen auf, weil es besonders in der Rohrer Kurve an Luft im Fahrplan fehlt: „Es gibt einen Engpass zwischen Regionalexpress und S 3 mit Pufferzeiten von nur elf Sekunden sowie zwischen ICE und S 3 von gar nur drei Sekunden“, heißt es in der Expertise. Auch im Flughafen-Terminal werde sich die noch im Stresstest genannte Pufferzeit von 69 Sekunden nicht realisieren lassen – die Zeitreserve im Fahrplan schrumpft auf ein Drittel der Bahnvorgabe.

Verkehrsclub VCD sieht sich durch Gutachten bestätigt

Auch auf den Regional-Express und die aus Richtung Zürich über Horb und Böblingen in die Region Stuttgart rollenden ICE-Züge wirkt sich der geplante Mischverkehr offenbar massiv aus. Untersucht wurde von den Experten der Streckenast zwischen Vaihingen und Filderstadt. Es liegt auf der Hand, dass ein Zeitverzug im dicht getakteten Streckennetz seine Spur hinterlässt. „In der Hauptverkehrszeit ergeben sich Folgeverspätungen bis zu 8,5 Prozent der Reisezeit, die nicht mehr abgebaut werden können“, heißt es in der Studie, die der Stuttgarter Zeitung in Auszügen vorliegt.

Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) sieht sich durch das Gutachten in seiner schon früher geäußerten Befürchtung bestätigt, dass die Betriebsqualität der S-Bahn erheblich unter Stuttgart 21 leiden werde. „Bekanntlich wurde die S-Bahn beim Stresstest zu Stuttgart 21 bewusst ausgeklammert. Schon damals hätte man die mangelhafte Betriebsqualität erkannt, das Schweizer Ingenieurbüro SMA hat auf die Probleme hingewiesen“, erklärte der Landesvorsitzende Matthias Lieb am Donnerstag. Er sieht die Region als Aufgabenträger für den Nahverkehr in der Pflicht, sich intensiv mit der Studie zu befassen.

Eine Ausdünnung des Takts im Berufsverkehr für einen stabilen Fahrplan lehnte Lieb kategorisch ab: „Das Opfer für S 21 lässt sich von Fahrgästen nicht verlangen“. Wie schon Leinfelden-Echterdingens Oberbürgermeister Roland Klenk fordert auch der Verkehrsclub, Alternativkonzepte für die S-21-Trasse noch einmal näher zu untersuchen. Der Rathauschef hatte beklagt, dass die beim Filder-Dialog begrüßte Variante „Bahnhof unter Flughafenstraße“ verworfen worden war. „Die Variante Flughafenstraße ist die einzige Chance, die gravierendsten Mängel zu verhindern“, meldet sich auch der durch eigene Ideen zur Trasse bekannte SPD-Fraktionschef Walter Bauer aus Filderstadt zu Wort. Er hofft, dass Regierungspräsidium und Eisenbahnbundesamt „einen nicht genehmigungsfähigen Plan verhindern“. Die Bahn will sich bei der Erörterung zu der Studie äußern.

Alternativkonzept war am Streit um Kosten gescheitert

Die beim Filder-Dialog einhellig begrüßte Trassenvariante war 2012 am Streit gescheitert, wer die Kosten zu tragen hätte. Die Bahn hatte den Mehraufwand für die Alternativplanung mit 224 Millionen Euro beziffert. Das Land lehnte eine Mitfinanzierung ab – weshalb die Bahn mit der alten Variante in die Planfeststellung ging.