DJ, Kunst-Lehrerin, Mama: Theresa Jäger ist eine Powerfrau wie sie im Buche und am Wochenende im Club steht. Auch schwanger. Denn bei ihr gibt es nur ein Gas und das ist Vollgas. Klar, dass sie auch bei der Langen Nacht der Museen mitmischt.
Sie feiert, malt und unterrichtet mit einer Leidenschaft, wie man sie selten erlebt – immer in Action und on fire: Theresa Jäger auch bekannt als Jae (früher Tess) ist präsent, hat Power, bleibt im Gedächtnis.
„Ich liebe, was ich tue, und bin darin auch gern erfolgreich, aber ich brauche keine Fans. Sag mir einfach: Du hast gut getanzt und ich bin happy“, so die 37-Jährige, die in Bad Cannstatt lebt.
Von Villingen-Schwenningen in die Welt
Aufgewachsen ist die sympathische DJ und Lehrerin übrigens in Villingen-Schwenningen, gelebt hat sie in der ganzen Welt. Es scheint als scheue sie kaum ein Abenteuer, immer höher, schneller, weiter: Berlin, Brasilien, Heidelberg – what’s next? Irgendwann führte sie ihr Weg dann ins „Schwoabaländle“ nach Stuttgart. „Und hier bin ich jetzt echt schon richtig lange, meine Tochter ist Cannstatterin“, freut sich Theresa.
Auch ihre Reise zum Job, der sie erfüllen sollte, war eigenwillig. Nach der Ausbildung zur Maßschneiderin und Modedesignerin holte sie ihr Abi nach und studierte später auf Lehramt Kunst, Religion und Mathe. „Das Studium war cool, aber in Sachen Ausgehen war bei mir die Luft raus. Damals war ich Anfang 20.“ Also nichts von wegen wildes Party-Leben an der Uni, das sollte erst einige Jahre später folgen.
Mit 27 das erste Mal aufgelegt
Denn als die Tochter der gebürtigen Schwarzwälderin zwei Jahre alt war, fing sie als frischegebackene Mama an, aufzulegen. Und wie kam’s dazu? „Ich habe schon immer gewusst, dass ich voll den guten Musikgeschmack habe“, sagt die DJ lachend. Damals sei es nicht üblich gewesen, dass Mädels Hip-Hop und vor allem puren, harten Hip-Hop heftig feierten – aber Tess tat es.
Als sie jünger war, machte ihr die Technik zu schaffen – „und es war einfach in den Clubs, bei diesem Genre auch sehr männerdominiert.“ Über Freunde in Konstanz wurde der Wunsch aufzulegen wieder entfacht, Gigs folgten und das Freund & Kupferstecher, unser Kupfi, wurde zur ersten Spielstätte in Stuttgart. „Ich habe das schon auch in die Wege geleitet und Chris hat mir dann eine Chance gegeben.“
Dann folgten das Suessholz, Festivals wie Melt und Splash und zuletzt viele Gigs mit Immi Bakes, ob im Stadtpalais, 1. Stock oder Studio Amore. Mittlerweile aber nicht mehr mit Sekt und Red Bull an ihrer Seite, sondern mit Baby im Bauch. Bald kommt Theresas zweites Kind auf die Welt. Sie habe trotzdem alle Play-Dates – die Rede ist vom Auflegen – zugesagt.
Schwanger – und später mit Baby – im Club
„Im nächsten Monat ist Entbindungstermin und ich glaube auch nicht, dass das Baby früher kommt. Es darf auch nicht früher kommen, weil ich jetzt noch einige Termine habe, wie etwa bei der Langen Nacht der Museen oder in der Oper nächsten Freitag. Aber ich habe auch einen Termin im Juni angenommen und da frage ich mir gerade schon, wie ich das dann mache? Nehmen wir das Kind dann mit und Michelle passt auf die Kleine auf während den Breaks?
Schwanger aufzulegen funktioniert tatsächlich ganz gut, da bin ich in meinem Element. Musik tut mir gut, tanzen macht mich glücklich. Klar, spiele ich keine 6-Stunden-Sets mehr – könnte ich gar nicht aushalten. Aber zwei Stunden, das passt. Und ich hatte tatsächlich nie den Gedanken: Oh je, ich werde bald zum zweiten Mal Mutter, ich bin schwanger, ich lege nicht mehr auf. Ich habe da immer auf mein Gefühl gehört und vor allem habe ich nicht vor, es aufzugeben. Das entscheide ich und nicht die Gesellschaft!“
Proton: Das Berghain des Hip-Hop
„Ich meine es wirklich ernst, wenn ich sage: Das Proton war eine Institution. Natürlich wurde darüber geredet, warum Frauen dort hingehen und vor allem auch Männer. Aber auf der anderen Seite war es einfach reales Nightlife, es war sexy. Das Proton war das Berghain des Hip-Hop. Ja, es war sehr sexuell aufgeladen, das ist nicht der Punkt. Aber, was sich heute auf Social Media abspielt, dass viele Girls Bikini-Bilder posten oder den Hintern in die Kamera halten, das gab’s eben damals live und in Farbe im Proton. Da hast du halt gezeigt, was du hattest. Natürlich war das sexistisch. Aber bis zum gewissen Grad darf es das auch sein, weil es einfach zu Rap und Hip-Hop dazugehört. Sonst gäbe es dieses Genre auch gar nicht – und viele gute Tracks auch nicht. Auch wenn vieles davon problematisch war und ist, rückblickend.
Ich bin sicher keine female DJ, die das gutheißt, aber ich feiere künstlerische Freiheit und das bedeutet auch: körperliche und sexuelle Befreiung. Und wir Frauen sind da eben noch mitten im Prozess, den richtigen Weg für uns zu finden. Heute machen Mädels in High Heels sexy Bilder, posten sie auf Social Media und that’s it. Wir sind früher so über die Theo gelaufen. Das war halt so, aber es war echt. Und heute ist es eben oft nur ein Ausschnitt. Aber das soll nicht heißen, dass die jungen Girls heute unechter oder sogar fake sind.
Ich finde es auch wichtig, dass man sich von diesen optischen Begleiterscheinungen frei macht. Wie unbequem sind High Heels bitte, aber wie cool und sexy sehen sie halt auch aus!? Und ich muss zugeben: Das Unechte, das sich auf Social Media findet, gab es damals eben im Nightlife. Man hat sich schon auch inszeniert und in eine sehr krasse, feminine Form von sich selbst verwandelt. Beides darf existieren. Und ich wünsche mir für das Stuttgarter Nachtleben, dass wir eine Ebene schaffen, wo alles sein darf und damit aufhören, immer alles zu bewerten.“
Der Weg zur Kunst/Ein Ort der Begegnung
„Ich habe schon immer gemalt – seit ich denken kann. Und ich habe es geliebt zu basteln. Später habe ich mit dem Modedesign einen Beruf gewählt, der im ersten Moment kreativ zu sein scheint, aber es war schon sehr technisch, auf das Produkt ausgerichtet. Darin habe ich mich nicht so wiedergefunden, aber ich hatte dann ja auch entschieden, Kunst auf Lehramt zu studieren. Während des Studiums habe ich die künstlerische Freiheit und unter anderem das Drucken für mich entdeckt, Keramik-Workshops, ich habe alles mitgenommen, was ging. Ich wollte und will nebenbei auch freischaffende Künstlerin sein – und darin wurde ich bestärkt.
Es folgte ein Atelier, die erste Einzelausstellung mit dem Titel ‚Marginal’, was gut zu mir passt, weil ich mich immer mit Randgruppen in meinen Arbeiten beschäftigt habe. Dann ergab sich ‚Marginal 2’ im Suessholz. Und diese Veranstaltungen wurden meist auch von Flyern, die wie kleine Kunstwerke aussahen, begleitet. Seit Corona habe ich viel von zu Hause aus gemalt oder dann auch immer wieder gern mit meinen Schüler:innen gemeinsam im Unterricht – wenn die Stimmung es zulässt.
Und jetzt ein kurzer Stimmungswechsel: Das, was zwischen Palästina und Israel passiert ist, hat mich tief erschüttert. Und ich wusste, ich will etwas dazu machen. Aber ich brauche eben auch immer einen persönlichen Bezug. Ich habe dann viel gemalt, mein Kopf hat gearbeitet, dann kam mein Gerechtigkeitssinn in mir hoch, gleichzeitig ist es eine komplexe Thematik und dann wieder nicht. Aus Künstler-Perspektive hatte ich den Eindruck, man darf nicht mehr sagen, wie man empfindet und was man als problematisch erachtet.
Bethlehem ist unter Besatzung und ich finde das viel zu wenig thematisiert und problematisiert. Und als Künstlerin und Christin beschäftigt mich das alles und deshalb mache ich bei der Langen Nacht der Museen eine Rauminstallation, die ‚Bethlehem’ und damit ‚Haus des Brotes’ heißt. Aber das weniger im Sinne von: Bild dir eine Meinung und lass uns darüber streiten, sondern eher aus dem Gedanken heraus: Lass uns einen Raum schaffen, wo jede:r willkommen ist. Aus meiner christlichen Perspektive heraus, geht es mir um Gastfreundschaft, Teilhabe, sich vorurteilsfrei begegnen können. Wie ein Wohnzimmer, wo alle sein dürfen. So wie die Welt sein müsste und wäre, wenn ich Präsidentin wäre.“
„Haus des Brotes“ bei der Langen Nacht der Museen, Prisma, Schwaben-Bräu-Passage, Bahnhofstr. 14-18, Stuttgart-Bad Cannstatt, 22.3. 19-1 Uhr