Was im Club passiert, bleibt im Club – von wegen! Bei unseren Gute-Nacht-Geschichten wird ausgeplaudert, was das Zeug hält. Stuttgarter DJs, Barkeeper und Türsteher bekommen absolute Sprecherlaubnis und hauen uns die derbsten Nightlife-Storys um die Ohren. Na, dann gut’s Nächtle! Dieses Mal: DJ und Künstler Robin Treier.

Stadtkind: Tanja Simoncev (tan)

Stuttgart - Ein Mann, ein Bart, aber bestimmt nicht nur ein Wort. Robin Treier ist 'ne Type, aber kein Typ, den man zum Plaudern zwingen muss. Der Künstler philosophiert gern und oft, wenn der Tag bzw. die Nacht lang ist. Ob im Gespräch oder in seinen Texten. Er ist eben ein krasser Kreativkopf voll wirrer Gedankengänge, für den selbst Kommasetzung künstlerische Freiheit bedeutet. Ja, so kennt man ihn und ja, so schätzt man ihn - den Autor und Maler und DJ und und und.

 

Tja, und so tummelt sich der 31-Jährige mal hier, mal da, aber ganz bestimmt auf jeder Nightlife-Szene-Veranstaltung der Stadt. Denn Robin from the Hood ist bekannt wie der bunte - bärtige - Hund und man will ihn dabei haben, wenn's was Wichtiges zu representen gilt. Und jeder (ohne Übertreibung!) hat den drolligen (eines seiner Lieblingswörter) Chaoten schon mal gesehen - er ist halt ein einprägsames Kerlchen, der Robin. Dass er hier und da dann auch mal was erlebt, ist jetzt nicht direkt eines der sieben Weltwunder. Deshalb sollte man ihm nun das Wort erteilen, dem furchtlosen Philosophen.

Silent Disco

Bei meinem letzten Set im alten Rocker 33, bei der letzten "Oh-Hi!"-Party im Haus, ein No-Go: nach zehn Minuten fiel mein MacBook vibrierend von der Bierkiste. Vermutlich ein technischer Unfall - besonders nervig, vor allem, weil es der letzte Abend mit den "Oh-Hi!"-Brudis war. Natürlich passieren einem diese technischen Fails als DJ immer wieder und es kommt vor, dass es dann auch mal eine halbe Minute lang oder sogar eine ganze ganz schön silent ist, in der Disco - quasi Lärm- statt Ruhestörung. Dann denkt man sich jedes Mal: "Ohje, 'ne Minute ist ganz schön lang." Und selbstverständlich bin ich nicht gerade happy drüber, aber ich entschuldige mich kurz mit einem Wink und hochgezogenen Schultern beim Publikum bzw. gebe zu, dass ich es war. Dann versuche ich es mit Musik aus der „Macht alles wieder gut“-Kiste wett zu machen. Zu meiner Überraschung habe ich die Erfahrung gemacht, dass das Publikum sehr viel gnädiger sein kann, als man es vielleicht erwarten würde. Dass mein Set aber ausgerechnet bei so einem nostalgisch, emotionalen Gig ausfiel, lässt mich bis heute ganz wehmütig auf den Abend zurückblicken.

Lost in Club-Rotation

Im Rocker 33, damals noch in der alten Bahndirektion, bin ich mal als der "softere“ DJ bei der Veranstaltung Kaputtraven eingesprungen. Dort gab es diesen kleineren Floor, der mit einer wandhohen Schiebetüre komplett verschwinden konnte, bevor er meist so gegen 1 Uhr nachts neben der kleinen Bar eröffnete. An besagtem Abend kam ich dort an und fand einfach niemanden in dem ganzen Trubel. Da ich aber schon oft dort gespielt hatte, bin ich einfach da rein und habe aufgebaut, gemütlich meinen Soundcheck gemacht und war lange, bevor es losgehen sollte, fertig. Ich spielte mir gerade ein gemütliches Nümmerchen auf Zimmerlautstärke vor und kramte nach meinen Kippen, als ich ein lautes Klicken hörte und merkte, dass jemand die Schiebetüre richtig zugemacht hatte. Ich war eingesperrt, so schien es. Ich dachte mir aber nicht viel, mit Blick auf die Uhr, dabei, da die Türe 15 Minuten später sowieso wieder aufgehen sollte. Also saß ich da gemütlich eingesperrt wartend bis es losging. Was ich nicht wusste: Draußen suchte mich alle Welt, in allen Ecken - nachdem sie mich im Floor einsperrten. Letztendlich war es ein herzliches Wiederfinden. Ich persönlich fand es zum Kugeln komisch - Andres und Thomas auch, als der Schreck und die Verwirrung verflogen waren. 

Old and dirty

Meine Reihe „What’s The Dealiyo!?“ läuft im Transit/Bergamo aktuell bereits im vierten Jahr - eine sehr glückliche polygame Ehe bisher. Dieser Mittwoch war schon immer eine Art Baby für mich. Da ging es nie um die große Party des Jahrhunderts, eher um kleine Räume, intimes und freies, grenzloses Kramen in der Platten-Kiste. Ich fand den Gedanken einfach schön eine Bar zu haben in der einer unter der Woche steht und in Musik rumkramt - und hatte Bock auch mal der Krämer zu sein. Wenn man aus 'ner Kleinstadt kommt, denkt man dabei schnell an Do it yourself und macht halt irgendwas - erst im charmanten Bonny & Clyde und dann im kleinen Raum des Beat Clubs, den es damals in der Fressgasse gab. Und genau dort gab es mal einen ausgesprochen langsamen, ruhigen Mittwoch, an dem einfach kaum jemand in der Stadt unterwegs war. Ein paar Hände voll Gäste hatten uns dennoch mit ihrem Besuch beglückt und ich spielte ein Allerlei an Musik vor mich her. Irgendwann blickte ich auf und fand mich in einem kleinen Raum wieder, in dem in der Ecke ein Pärchen mit weißen Haaren rumknutschte wie Teenager und ein Grüppchen, das nach einem Punk-Konzert um die Ecke reingeschneit war, wild tanzten - zu einer zackigen alten Jazz-Nummer von Qunicy Jones aus dem Ende der 60er Jahre. Ich kann mich noch lebendig erinnern, wie verdutzt ich schaute, den Kopf schieflegte und mir sagte: „Schau dir das genau an, das siehst du nicht alle Tage.“ Ein hübsches Gefühl, wenn man Anteil hat, an so unerwarteten und gleichermaßen besonderen Momenten. Ein wunderschöner Moment und Indiz dafür, dass ein „Hit“ so einiges mehr sein kann, als nur etwas, das gerade „hot“ ist.

What the ...

Natürlich gibt es immer wieder mal unerwarteten Besuch im Club. Am meisten überraschte mich aber - so glaube ich - wohl an einem mäßigen Donnerstagabend vor vielen Jahren im Keller Klub, als ich auf der Tanzfläche unter wenigen Dutzend Leuten, plötzlich dachte, ein Gesicht zu erkennen. Es war eher so dieser Moment „Huch, der sieht ein bisschen aus wie...“ Und dann: Gäste, die sich plötzlich aus dem Nichts Adam Green wünschten. (Etwas, mit dem ich sie normalerweise zu Beginn des Abends eher nervte, aber ich mag eben wie er schreibt.) Und dann roch ich langsam den Braten und siehe da: Adam Green und irgendein blonder Kumpel waren tatsächlich zum Tanzen gekommen. An der Theke stellt sich dann auch noch später heraus, dass der blonde Dude Macaulay „Kevin allein zu Hause“ Culkin war. Unter Umständen vielleicht etwas oberflächlich hier mit Promi-Besuch ums Eck zu kommen. Aber irgendwie musste ich nach Jahren zum ersten Mal wieder daran denken und innerlich ein "What the…!?" raushauen. Ich dachte nur: "Wie unwahrscheinlich war das bitte.“ Vor allem die Mischung der beiden Promis hat mich ganz schön perplex gemacht.

Drama, Donuts, Dancefloor

Im Club begeben wir uns alle gemeinsam an einen Ort, an dem sich Menschen viel Mühe geben eine Party an den Start zu kriegen. Dann sind wir dort, haben Bock, die Welt hinter uns und einfach mal Fünfe grade sein zu lassen - mit dem Drink in der Hand, dem Bass im Ohr und dem Bein auf dem Floor. Über die Jahre erlebt man viel Drama, zahlreiche Auseinandersetzungen, witzige, aber auch jene, die Freundschaften beendeten - und manchmal hatten sie ein bisschen was von beidem. Völlig bescheuerte Dinge passierten natürlich auch wie Equipment, das einfach so verschwand, Dinge, die einfach so brannten und Motorroller, die sich einfach mal auf dem Dancefloor zu einem Donut formierten. Ja, das Nachtleben ist definitiv ein ulkiger Ort. Das Schlimmste daran sind die Menschen, glaube ich. Das Beste daran: die Menschen. Alles was menschlich ist, findet dort verstärkt statt - das Schöne, aber auch Absurde. Ich durfte im Nachtleben viele Freundschaften finden, die seit Jahren überdauern, wurde beschenkt mit vielen nachhaltig wertvollen Gesprächen und habe mich - sogar nicht nur einmal - in Augen verknallt, die mein Leben teilweise noch eine ganze Weile begleiteten. (Ihr wisst, wer ihr alle seid und ich bin happy, dass es euch gibt und ich euch traf). Und nicht zuletzt durfte ich mich zehn Jahre lang sehr frei entfalten und musikalisch, gemeinsam mit den tanzenden Menschen und Freunden, austoben und vor allem stets sein wie ich einfach bin. Dafür bin ich demütig dankbar und versuche, diesem Glück stets gerecht zu werden. Wenn man da ab und an mal in der Nacht angepöbelt wird oder ein Gast seltsame Dinge tut, dann ist das kein hoher Preis für all das.